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Das Rote Meer II

Port Sudan - Massawa (Eritrea) - Djibouti.

Das Gebäude ist völlig verfallen. So etwas kennen wir nur von Photos aus der Nachkriegszeit. Wir spähen durch die Eingangstür. Das bringt auch nicht viel, denn es kommt uns nur schwere, undurchdringliche Dunkelheit entgegen. Hier drin soll die Bäckerei sein?! Wir sind wohl vor dem falschen Haus. Trotzdem gehen wir mal so langsam rein. Ganz unauffällig. Wie zufällig. So, dass wenn es irgendwas anderes ist, eine Gassenküche, oder ein Obdachlosenheim, oder ich weiss nicht was, wir gleich wieder rausschlüpfen können. Nachdem sich, noch mit einem Fuss auf der Strasse, unsere Augen etwas an das spärliche Licht gewöhnt haben, sehen wir etwas wie eine Theke. Sie ist leergefegt, kein Mensch weit und breit. Als wir ein paar Schritte weiter reingehen, stolpern wir über herumliegende Teile eines Aussenbordmotors. Wohl einer der ersten, die je hergestellt wurden! Aus dem hinteren Bereich des Raumes um die Ecke hören wir geschäftige Stimmen. Es riecht jetzt auch unverkennbar nach frisch gebackenem Brot. Das gibt uns wieder Mut. Und dann sind wir plötzlich mitten drin im Geschehen. Um die zehn Männer und Frauen kneten Teig, meist am Boden kniend oder kauernd, formen Brote jeder Grösse, verteilen sie auf riesige Bleche und schieben sie in den grossen Holzofen. Auf meine Frage nach Brot, die mir im Nachhinein etwas dümmlich vorkommt, strahlt man uns an und fordert uns auf, einfach frei zu wählen. Für ein Kilo frisches und wirklich sehr gutes Brot bezahlen wir dann an der ‚Theke' umgerechnet 20 Rappen und werden herzlich verabschiedet. Bäckerei-Besuch in Port Sudan!

In Europa bekamen wir recht dubiose Informationen über dieses Land. Auch sehr viele negative Aussagen. Letzteres natürlich immer von Leuten, die niemals da waren! Wir erlebten Sudan als sehr armes, aber irgendwie auch als sehr aufrichtiges Land. Die Menschen schauen einem direkt ins Gesicht, immer mit einem Lächeln. Wir lächeln zurück. Sie sind fast ausnahmslos Moslems. Zwei Welten prallen aufeinander. Autos, überwiegend aus den Fünfzigerjahren, und noch mehr Eselskarren.

Manchmal direkt neben einem brandneuen Mercedes eines Regierungsmitgliedes stehend. Nun ja, ist im Grunde genommen in Bern nicht viel anders. Da spielen sich die verwahrloste Drogenszene und der Strassenstrich auch gleich hinter dem Bundeshaus ab. Trotzdem sind das für uns sehr abenteuerliche Eindrücke. Der Ort ist zudem auch wirklich völlig sicher, man muss nicht einmal sein Beiboot abschliessen! Die Tauchsafariboote schliessen nicht einmal ihre, im Vergleich zu uns sehr luxuriösen, Schiffe ab. Nicht zu stehlen, ist hier wohl einfach eine Frage des Anstandes oder der allgegenwärtigen Religion. Es wird fünf Mal pro Tag Richtung Mekka gebetet. Wir werden als Weisse nie angebettelt, auch nicht von Kindern. Obwohl man hier gleich als reich gilt, wenn man weiss ist. Selbst dann, wenn ich direkt aus dem Maschinenraum für Besorgungen in die Stadt gehe; in meinen übelsten Büezerkleidern. Ohne Betteln hat man trotz der krassen Gegensätze das Gefühl von leben und leben lassen. Wir segeln nun nicht mehr nur, wir reisen in uns völlig unbekannten Ländern. Unser Horizont erweitert sich jeden Tag. Es gibt positive wie negative Erlebnisse. Auf meine Frage, wo ich unsere Abfälle entsorgen kann, wird auf ein grosses Blechfass gedeutet. Jeden Abend wird darin dann einfach alles verbrannt. Nach dem Ölwechsel zeigte ich dann etwas verlegen auf meine Altölsammlung. "Very good" war die erfreute Antwort, das brenne sehr gut...

Für unsere defekte Wasserpumpe organisierten wir einen Mechaniker. Doch mussten wir zuerst vier Tage warten. Er hatte Malaria. Noch immer recht fiebrig und geschwächt kam er dann, zusammen mit seinem Sohn als Verstärkung. Der junge Mann nahm dann auch alle Manipulationen am Motor vor, und zwar jeweils nach den genauen Instruktionen seines Vaters. Nach gut einer Stunde war die Pumpe ausgebaut. Die beiden verschwanden, um die richtigen Dichtungen zu suchen. Da es diese in Port Sudan nicht gab, stellte sie der Mechaniker kurzerhand selbst her. Noch eine Stunde später war sie wieder eingebaut. Wir konnten weiter!

Wir segelten und motorten Richtung Süden. Die Einfahrt in den Mitsiwa-Kanal wurde dann eine sehr spannende Sache. Leider jagte unser Echolot mit Fehlechos immer wieder unser Adrenalin hoch! Das wäre echt nicht nötig, denn nach unserem Riff-Erlebnis im Golf von Suez macht uns das wegen der ungenauen Seekarten immer eine Heidenangst! Man weiss nicht recht, woran man ist.
Wir erreichen Massawa dann schön zur Mittagszeit und sehen alle Riffe bestens. Auf unsere UKW-Rufe meldet sich niemand. Im Hafen liegen nur grosse Frachter am Quai. Unsere nautischen Unterlagen widersprechen sich in Bezug auf das Einklarierungsprozedere. So gehen wir einfach mal längsseits. Ich krame unsere Schiffspapiere zusammen, steige in lange Hosen und Hemd und mache mich auf zur Immigration. Die langen Hosen pieksen mich sehr bei 40°C im Schatten, doch wird züchtige Kleidung von den Moslems sehr geschätzt, in der Öffentlichkeit und vor allem bei Behördengängen. Zum ersten Mal wird hier in Eritrea auf mein Ja bezüglich der Frage, ob wir Waffen an Bord haben, reagiert. Gewehr und Pistole müssen bei der Polizei für die Dauer des Aufenthaltes deponiert werden. Gegen Quittung, wird mir versichert. So watschle ich also mit den beiden Prügeln in den Händen und dem Beamten zur Seite durch halb Massawa! Kein Mensch auf der Strasse schert sich um uns. Die Polizeistation ist dann architektonisch etwa so aufwendig wie eine Schweizer Bushaltestelle. Die Waffen werden freundlich entgegengenommen, in irgendeine Ecke gestellt, und ich bekomme eine einfache, handgeschriebene Quittung. Alles läuft ganz easy ab. Genauso einfach bekam ich dann übrigens vor dem Auslaufen alles wieder zurück. Und: es kostete, wie das Einklarieren und die Landpässe, keinen Cent! Auch mal nett.

Dann folgte der wohl schlimmste Törn unseres ganzen bisherigen Seglerlebens: von Eritrea durch das südliche Rote Meer und die Meerenge von Bab-El Mandeb nach Djibouti. Über Tage hatten wir Wüstenstürme von vorne. Wir knallten, meist unter Maschine, voll gegenan. Umkehren war uns, wegen der engstehenden Riffe bei diesem Wetter und der durch Sand sehr stark eingeschränkten Sicht, zu riskant. Oft wurde der Wind nachts so stark, dass wir beidrehen mussten und mühsam erkämpfte Seemeilen wieder verloren. Ein zeitweise recht hoffnungsloses Unterfangen! Dazu Übermüdung und technische Probleme mit den Motoren. Unglaublich: nun leckte die Wasserpumpe des Backbordmotors! Mann, haben wir ein Pech. Wir checkten alle paar Stunden den Ölstand, um ein Ansteigen des Pegels sofort zu merken. Dies würde bedeuten, dass Seewasser in den Motor eindringen würde. Wir müssten die Maschine sofort stoppen. Die leckende Pumpe schaufelte recht viel Meerwasser in den Maschinenraum. Durch die Krängung konnte es nicht in die Bilge fliessen und blieb stehen. Das drehende Getriebe spritzte das Wasser durch den ganzen Raum und überzog alles mit einer Salzschicht. Das wird viel Arbeit geben bis die Motoren wieder gereinigt sind. Innen wie aussen, werden wir später erfahren!
Aus dem Logbuch: Es sind schlimme Tage, alles unter Maschine, immer voll gegenan. Letzte Nacht lagen wir beigedreht bei mehr als 50 Knoten Wind von vorne! Verloren 40 Seemeilen. Bis wir die wieder haben... Ständig Wasser über dem Deck, steht manchmal fast kniehoch und findet überall Weg ins Innere. Im Schiff überall nass, wir versuchen mit Tüchern abzuhelfen. Und immer das harte Knallen in die Wellen, peng-peng-peng...jeder Schlag, den die MON AMIE einsteckt, trifft auch uns.

Doch endlich schaffen wir es: irgendwann liegt Bab-el Mandeb, das ‚Tor der Tränen' genannt, im Kielwasser! Im Golf von Aden beruhigt sich der Wind und: kommt von hinten. Endlich können wir wieder segeln. Nach Tagen mit ‚Pasta Pronto' koche ich etwas Feines und dann klarieren wir in Ruhe unser Schiff etwas auf und laufen ein paar Stunden später, schon wieder guter Dinge, in Djibouti ein!
Problemloses Einklarierungsprozedere. Djibouti ist für uns, wenigstens im ersten Moment, ein Sprung zurück nach Europa. Die Strassen sind oft geteert, nicht mehr nur Sandwege. Es gibt europäisch anmutende Restaurants, nur sind sie für uns leider nicht bezahlbar, wie vieles in Djibouti. Als wir in einen vollklimatisierten, europäisch bestückten und hochmodernen Supermarkt eintauchen, fallen Christa und mir fast die Augen aus dem Kopf! Nach all den Wochen, wo wir uns nur auf primitiven Märkten und irgendwelchen Hintergassen-Krämerläden verproviantiert hatten, nun das: Kopfsalat, Käse, Baguettes und vor allem: endlich wieder Butter! Die Preise sind nur leider sehr hoch, sodass wir uns nach wenigen Tagen einen einheimischeren Laden suchen. Doch ein paar Köstlichkeiten nach dem Ankommen gönnen wir uns allemal!

Ein paar Tage später. Wir liegen ruhig vor Anker in Djibouti. Vier Uhr morgens. Es ist recht heiss, weil kaum Wind weht. Ich wälze mich etwas in unserer Koje umher. Auch Christa schläft unruhig. Im Halbschlaf stehe ich auf und verzieh mich in den Salon. Vielleicht ist es dort etwas kühler. Beim Hinlegen auf die Salonbank wundere ich mich über den feuchten Fussboden. Doch für weitere Gedanken bin ich zu müde. Fast schon wieder eingeschlafen, höre ich plötzlich Geschrei vom Nachbarboot. Es ist Chris von der DUNSANDLE. Nach einer Weltumsegelung auf der Passatroute haben sie sich während drei Jahren die 45 Fuss Stahlyacht DUNSANDLE in Südafrika ausgebaut. Sie segelten über Ostafrika und Oman nach Djibouti und sind nun auf dem Weg ins Mittelmeer. Chris schreit in die Nacht: "What do you do?! Go off my boat!" Thomas, der hier in Djibouti bei uns zu Besuch ist, stürzt aus der Gästekabine. Wir treffen uns im Cockpit, "He, da ist ein Einbrecher auf der DUNSANDLE"! Christas Kopf taucht in der Decksluke auf. Wir sehen eine Gestalt an der Ankerkette der DUNSANDLE ins Wasser hinabgleiten. Chris steht mit einem Messer bewaffnet im Cockpit. Wir rufen rüber, ob alles in Ordnung sei. Ja, ruft Chris zurück, der Einbrecher sei gar nicht bis ins Schiff gekommen und jetzt weg geschwommen. Nichts gestohlen. Wir sitzen zu dritt im Cockpit und lassen die Aufruhr etwas wirken. Dann sagt Christa plötzlich: "Warum sind die Stufen des Niedergangs so nass?" Ich: "Ja, auch der Fussboden im Salon ist feucht. Hey, da war jemand in unserem Schiff!" Ich stürze die Treppe hinunter und mit der Taschenlampe sehen wir Salzwassertritte durch den Salon bis zum Navigationstisch eine deutliche Spur ziehen. Auf der Bank davor ist ein kreisrunder nasser Fleck auf dem Polster. Unglaublich, da kam ein Einbrecher aufs Schiff und setzte sich seelenruhig an unseren Navitisch! "Meine beiden Uhren sind weg", ruft Christa. Und auf dem Deck finden wir ihr Portemonnaie fein säuberlich aussortiert. Das Geld ist weg. Alle Dollars! Jetzt ist es zuviel des Guten. Wie müssen den Kerl verfolgen und finden! Wir machen so schnell wie möglich das Beiboot startklar. Thomas und ich brausen als erstes zur DUNSANDLE und fragen nach der Richtung, in die der Dieb geschwommen ist. Wir sind immerhin zu zweit, so fühlen wir uns mit den Paddeln vom Dinghy ausreichend ‚bewaffnet'. Im schlimmsten Fall wird ihm eins über den Schädel gezogen. Da unsere Yachten recht abseits vom Ufer liegen, braucht es schon mindestens zehn Minuten, um diese Distanz durchzuschwimmen. Wir haben also eine Chance. Und siehe da: schon bald sehen wir in dem spärlichen Licht etwas bewegen und halten voll drauf zu. Tatsächlich, keine Boje, kein treibender Kanister. Das ist er! Wir fahren leicht in ihn rein und zerren ihn ins Boot. Der Einbrecher wirkt sehr verschreckt, und er ist völlig erschöpft von seinen nächtlichen Schwimmeskapaden! Wir durchsuchen ihn sofort gründlich. Doch leider hat er die Beute wohl noch rechtzeitig aus der Hand gleiten lassen. Danach zu tauchen ist ausgeschlossen. Es ist stockdunkel und die Sichtweite unter Wasser beträgt nur wenige Zentimeter. Das Ausquetschen führt zu nichts. Sein Englisch ist miserabel, oder er tut wenigstens so. In der Zwischenzeit hat Chris über Funk die Hafenpolizei gerufen. Irgendwann kommt sie angegurkt. Wir übergeben den Dieb der Polizei und fahren mit leeren Händen zur MON AMIE zurück. Immerhin konnten wir den Kerl übergeben. Doch bringen wird uns das kaum was.
Ab jetzt werden wir hier nachts den Niedergang zuschliessen!


P.S. Dieser Bericht ist ohne Photos, da hier niemand auf APS-Filme eingerichtet ist. Wir müssen zuerst in ein touristisches Land segeln, um APS-Filme entwickeln lassen zu können(!) Die Photos werden später folgen.

 
 
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