Heute schon gesegelt? www.zueger-yachting.ch
|
Inseln
und Inselchen...
Kenya – Tanzania
– Zanzibar – Kenya
Es ist eine Stunde
vor Sonnenuntergang. Mit dem letzten brauchbaren Tageslicht halsen wir
bei starkem Wind durch die uns bereits bekannte Riffansteuerung von Tanga
im Norden Tansanias. Wir segeln auf Halbwindkurs der letzten Peilung entgegen.
Noch fünf Seemeilen bis zur Tanga Bay. Das Wetter ist gut, aber die
Bedingungen sind rauh. Seit wir Sansibar frühmorgens verlassen haben,
segeln wir bei bewegter See und Wind um die 35 Knoten mit kleinen Segeln
im Südostmonsun nordwärts. Die ostafrikanische Küstenströmung
treibt uns zusätzlich vorwärts. Wir freuen uns auf den ruhigen
Ankerplatz vor dem Tanga Yacht Club.
Christas Schwester Bea ist mit dabei. Sie verbringt ihren Urlaub mit uns
auf der MON AMIE in Tansania und Kenya. Der Windpilot steuert unser Schiff
genau auf den Leuchtturm bei der Einfahrt zu, und Christa kontrolliert
von Zeit zu Zeit den Abstand zum Riff.
Als ich für einen Rundumblick aufstehe, sehe ich plötzlich einen
Schiffbrüchigen im Meer! Auf den Überresten seines Segelkanus,
treibt der Fischer bis zum Hals im Wasser. Die stürmischen Verhältnisse
waren für sein Boot wohl zu viel. Auf mein knappes: „da müssen
wir jemanden retten“ sind Christa und Bea gleich bereit und verteilen
sich an Fock- und Grossschot. Wir machen einen Aufschiesser und wollen
den Mann, der uns halblahm zuwinkt, an Bord nehmen. Doch er hat Angst,
seine verbliebenen Holzplanken zu verlassen und sieht uns verstört
an. Er steht wohl unter Schock. Christa wirft ihm den Rettungsring zu.
Er greift danach, und wir ziehen ihn zum Schiff. Der arme Kerl hat nicht
einmal mehr die Kraft unsere Badeleiter hochzusteigen, so erschöpft
ist er. Und von seiner schwarzen Hautfarbe ist auch nicht mehr viel übrig.
Er wirkt aschgrau. Er ist körperlich am Ende und dazu sehr stark
unterkühlt. Wir werden später herausfinden, dass der Mann über
dreissig Stunden im Wasser ausgeharrt hat und sich bereits darüber
klar war, dass er die kommende Nacht nicht mehr überleben wird...
Nach drei Monaten
vor Anker in Wasini-Island klariere ich im Zoll- und Immigrationsbüro
nach Tansania aus. Wir wollen nach Dar-es-Salaam segeln, weil dort Christas
Schwester ankommen wird um uns zu besuchen. Es fällt uns etwas schwer,
das heimische Kenya zu verlassen, doch wir freuen uns, wieder Wind in
die Haare zu bekommen, neues zu entdecken. Und zudem wissen wir auch,
dass wir mit Bea nochmals zurück nach Wasini zu unseren Freunden
segeln werden.
Da wir auf dem Weg südwärts die Meeresströmung gegen uns
haben, wollen wir innerhalb der Küstenriffe segeln, wo uns keine
Strömung bremst. Die erste Nacht, nach 15 Seemeilen, verbringen wir
bereits in tansanianischen Gewässern, in der Moa Bay. Diese Bucht
ist nur unzulänglich kartographiert, und deshalb tasten wir uns langsam
in den langgezogenen Flusslauf hinein. Wir befinden uns im Springhochwasser
und müssen fünf Meter Wasserstandsunterschied miteinberechnen.
Wir lassen den Anker fallen, rammen ihn ein, gehen schwimmen und kochen
dann Abendessen.
Als der Vollmond aufsteigt und die weite Bucht erhellt, staunen wir dann
doch nicht schlecht, dass wirklich die ganze Bucht nun trockengefallen
ist und nur noch ein schmaler Wasserstreifen übrig ist, mit der MON
AMIE mitten drin!
Am
nächsten Morgen um halb sechs Uhr hören wir dann mitten in dieser
Einsamkeit suahelisches Geplauder! Schnell stehen wir im Cockpit und sehen
wie die Dorfbewohner zum Fischfang raussegeln. Mindestens fünfzig
Segelkanus, mit und ohne Ausleger, segeln mit der Sonne im Rücken
rund um uns herum meerwärts. Was für ein wunderschöner
Anblick! Von jedem der Boote kommt uns ein fröhliches „Jambo“
entgegen. In vielen Gegenden der Welt würde man jetzt erwarten, dass
all die Boote längsseits kommen und etwas verkaufen oder tauschen
wollen. Doch hier sind wir derart abseits touristischer Pfade, dass die
Einheimischen gar nicht auf die Idee kommen, dass etwas zu holen wäre
bei uns. Es herrscht eher freundliche Skepsis mit einer Prise Desinteresse.
Man ist auf dem Weg zum Fischen, die Familie braucht schliesslich zu Essen
und die Tide ist auslaufend; also wird einfach nett gewunken!
Bei uns ist es ähnlich, wir haben Meilen vor uns. Also ran ans Frühstück
und hoch den Anker. Es braucht den ganzen Tag viel Konzentration um hinter
den Riffen navigatorisch den Überblick zu behalten. Müde kommen
wir in Tanga an und ankern vor dem verschlafenen Yachtclub. Es ist Samstag,
und die Büros zum Einklarieren sind erst am Montagmorgen wieder geöffnet.
Ohne Visum dürfen wir deshalb nicht an Land und verbringen einen
faulen Sonntag an Bord. Mir kommt das ganz gelegen, denn mich plagt eine
Blutvergiftung und Entzündung am Fuss, hervorgerufen durch aufgekratzte
Insektenstiche. Im tropischen Klima will das fast nicht heilen, und schlussendlich
werde ich diese Geschichte wochenlang nicht los. Dieser Sonntag ist schmerzmässig
jedenfalls der Höhepunkt, und so tut mir dieser Ruhetag gut.
Von
Tanga aus segeln wir weiter hinter Fleckenriffen und Barriereriffen südwärts.
Wir ankern vor unbewohnten und unbewachsenen Sandinseln die bei Hochwasser
jeweils komplett verschwinden. Sie tragen Namen wie Fungu Tongone, oder
Maziwi. Paradiesische Eilande im Meer, das heisst etwa zehn Seemeilen
von der Küste entfernt. Man bekommt das Gefühl mitten auf See
zu ankern!
Bei Ebbe spazieren wir über die Sandflecken und sammeln Muscheln
oder liegen einfach in der Sonne. Beim Schnorcheln am Riff vor Maziwi
jagt mir ein Schwarzspitzen-Riffhai im knietiefen Wasser einen gehörigen
Schreck ein, als ich gerade einen Snapper beim Harpunieren verfehlte.
Im Nachhinein bin ich froh, denn der Hai hätte sicher gleich nach
dem zappelnden Fisch geschnappt und ich wäre noch mehr erschrocken!
Also nichts mit frischem Fisch an diesem Tag.
Ein paar
Tage später laufen wir in Dar-es-Salaam ein und holen Bea am Flughafen
ab. Das Wiedersehen wird gebührend gefeiert, und wir geniessen die
Neuigkeiten von zu Hause und die mitgebrachte Post!
Nun zu dritt segeln wir nach Sansibar. Vor der Altstadt 'Stone Town' gehen
wir vor Anker.
Sansibar
ist spürbar touristischer als alles was wir seit dem Mittelmeer angelaufen
haben. Wir profitieren davon und gehen für wenig Geld auf eine ganztägige
Spice-Tour. Landausflug mit Mittagessen und Badehalt, und vorallem mit
geführten Exkursionen durch die berühmten Gewürzplantagen
von Sansibar. Mit einer Hülle von Eindrücken und viel mehr Wissen
über Pflanzen und Currie’s kommen wir an diesem Tag auf die
MON AMIE zurück. Doch nicht nur das, denn wen haben wir auf dem Touristenausflug
kennengelernt? Natürlich Schweizer! Auch David und Claudia sind auf
unüblichem Weg von Basel aus nach Ostafrika gelangt, nämlich
mit ihren Motorrädern. Wir laden sie kurzerhand zum Abendessen aufs
Boot ein. Wir staunen und erzählen viel über die jeweils fremde
Art zu reisen. Wir vergleichen Möglichkeiten und Einschränkungen
der beiden Fortbewegungsmittel Zweirad und Segelboot und lachen über
Eigenarten und Unterschiede. Wir alle reisen individuell und aus eigener
Kraft. So finden wir auch viele Parallelen und Gemeinsamkeiten.
Im Norden
von Sansibar laufen wir die Bucht Ras Nungwi an. Wir baden und planschen
am wunderschönen Strand.
|
|
Am nächsten
Tag möchte ich mit der Tauchschule im Ort rausfahren. Doch frühmorgens
fängt es wild an zu blasen und der Ankerplatz wird sehr ungemütlich.
Wir bleiben alle an Bord. Die MON AMIE stampft stark in den Wellen, und
zwei Sicherungsbändsel der Ankerkette geben unter den grossen Kräften
einfach nach und reissen. Am nächsten Morgen nehmen wir noch vor
Sonnenaufgang den Anker mühsam hoch und segeln Richtung Tanga. Der
Wind nimmt zu, und bald segeln wir nur noch mit dem Vorsegel zügige
sieben Knoten. Nach zehn Stunden Fahrt nehmen wir in der Abenddämmerung
den Schiffbrüchigen an Bord. Wir stützen ihn über das Achterdeck
und legen ihn auf die Kissen der Cockpitbank. Wir bergen die Segel, lassen
die Maschine an und versuchen auch noch sein Kanu zu retten. Doch es ist
nur noch ein Wrack, das wir nicht einmal mehr abschleppen können.
Plötzlich sehe ich, wie der Mann die Augen verdreht, man sieht nur
noch weiss. Wir kriegen Angst, dass er hier jetzt einfach wegstirbt! Schnell
checken wir seinen Puls: Kreislauf scheint okay zu sein. Schnell ein paar
Badetücher über ihn, damit er sich langsam aufwärmen kann.
Seine erste Reaktion überhaupt kommt auf meine Frage, ob er Hunger
habe. Er nickt ganz leicht. Doch zuerst raus aus den nassen Kleidern.
Wir ziehen ihm trockene Sachen von mir an, und er ist sehr dankbar. Wir
geben ihm einen Resten Reis, dann eine heisse Bouillon, ein Pack Crackers,
eine Tomatensuppe und noch zwei Tassen Tee mit viel Zucker. Er putzt alles
weg und wird langsam aktiver. Doch ihm wird einfach nicht warm, das dauert
wohl länger. So möchte ich ihn, kaum vor Anker, so schnell wie
möglich an Land bringen. In den Windschatten, und dass er sich bewegen
kann. Und sicher weiss seine Familie nichts von ihm. Er hätte schon
seit zwei Tagen zurück sein sollen!
Beim Verabschieden erstrahlt sein abgekämpftes Gesicht vor lauter
Dankbarkeit. Stumm, und mit eindringlichem Blick schüttelt er mir
fest die Hand. Es ist ein schönes Gefühl. Er soll meine Kleider
behalten und ich gebe ihm noch etwas Geld für das Sammeltaxi zu seinem
Wohnort Pangani. Von dort ist er nach seinem Schiffbruch nordwärts
getrieben, über 50 Kilometer weit...
Für
uns liegt der nächste Ankerplatz 'zu Hause' bei Harm und Selina.
Wasini-Island, Kenya. Wir wechseln die Gastlandflagge und werden bereits
Meilen entfernt über Funk zum Nachtessen eingeladen. Harm’s
Schwester mit Familie ist noch auf Besuch und so gibt es ein feuchtfröhliches
Wiedersehen und es werden alle Sprachen durcheinander geredet!
Von
hier aus werden wir in Kenyas Landesinnern auf Safari gehen, und irgendwann
danach, wenn sich der Südmonsun langsam abschwächt, wird die
MON AMIE den Bug südwärts richten!
|
|