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Simon's Town, Südafrika
Der Schnee knirscht unter unseren Füssen. Die Luft ist trocken und kalt. Wir sind auf dem Weg zum Flughafen Zürich, wie bereits am Tag zuvor. Leider wurde ausgerechnet unser Flug zurück nach Südafrika annulliert. Doch heute wird es klappen.
Nach acht Monaten in der Schweiz und nun zu dritt, mit unserem fünf Monate alten Sohn Lenny, reisen wir zurück nach Kapstadt wo unser Schiff liegt, die MON AMIE - von der Heimat nach Hause.
Es waren acht sehr schöne Monate in der Schweiz, in denen wir die Heimat und unsere Familien und Freunde genossen haben, arbeiten und Geld verdienen konnten, und in denen wir glückliche Eltern werden durften. Wir sind sehr froh über unseren damaligen Entscheid, für dieses grosse Ereignis der Geburt in die Schweiz zu reisen und unser Schiff in Südafrika stehen zu lassen.
Doch jetzt spüren wir wieder das Abenteuer, das lockt. Und dabei lacht die Seele! Wir wollen zurück auf die MON AMIE, zu unserem "Haus", nach Hause. Wieder in unserem Bett schlafen, unsere Sachen haben und Lenny sein neues Zuhause zeigen.
Wir freuen uns wieder zu segeln und immer den ganzen Tag zusammen zu sein. Wir freuen uns auf neue Ufer, auf einen neuen Kontinent, auf Südamerika!
Wir spüren wie ungewohnt es ist, mit einem kleinen Baby die "gesicherten" Bahnen - was immer das heissen mag - zu verlassen und ins Unbekannte aufzubrechen.
Obwohl Christa und ich heute sehr viel abgeklärter und weniger naiv sind als vor vier Jahren, als wir die Schweiz verliessen um die Reise zu beginnen, fühlen wir uns genauso elektrisiert und aufgeregt wie damals. Dank Lenny, weil er nun bei uns ist und wir für ihn verantwortlich sind. Weil es nicht mehr nur um uns beide geht. Und weil wir ihm viel Schönes zeigen wollen und uns auf die grosse Freiheit unter Segeln freuen.
Der Flug verging problemlos und schon bald sah man uns am Flughafen in Kapstadt träge in die grelle Sonne blinzeln. Mir passte keines der zerbeulten Taxis, deren Fahrer genauso träge in die grelle Sonne blinzelten.
Die Autobahnen Kapstadts sind hektisch und die zweistündige Autofahrt zum Yachtclub, wo unser Schiff liegt, erscheint uns ohne Kindersitz ganz schnell als gefährlichster Reiseabschnitt auf unserem langen Weg nach Brasilien!
Als ich dann doch zu einem der Taxifahrer schlurfe, werde ich in preislicher Hinsicht wie erwartet schockiert. Nun haben wir unsere Bestätigung und holen uns zum gleichen Preis für achtundvierzig Stunden einen Mietwagen. Natürlich mit Kindersitz!
Das ist doch gleich was anderes, eigenständig unterwegs zu sein! Schön in Ruhe selber fahren ohne halsbrecherische Überholmanöver dulden zu müssen. Vor über einem Jahr in Durban hatten wir nämlich einmal einen Taxifahrer ohne Führerschein! Er fand den Blinker nicht, fuhr in eine Einbahnstrasse und die Karre verreckte ihm ständig.
Aufgeregt wie zwei Kinder vor dem Weihnachtsbaum fuhren wir die Küstenstrasse entlang, bis wir den Yachthafen erblickten. Mit ziemlichem Herzklopfen liefen wir über die Schwimmstege der Marina zu unserer MON AMIE. Und schon der erste Blick sprach Bände. Alles bestens! Leinen und Fender tiptop, kein Rost, keine Schäden und die Wasserlinie genau wo sie hingehört. Zum ersten von wohl noch unzähligen Malen reichen wir einander Lenny über die Reeling. Wir sind angekommen!
Auch im Schiffsinnern ist alles in Ordnung. Alle Luken waren die Zeit über dicht, und die Bilge ist trocken. Doch ziemlich arg geschimmelt hat es. Aber wenn's weiter nichts ist?
Als erstes reissen wir alle Luken auf und lüften das Schiff. Wir tragen ein paar Kanister, Segelsäcke und das zusammengelegte Beiboot nach draussen, damit wir uns im Salon wenden können. Dann schliessen wir das Landstromkabel an und die Gel-Batterie, die wir stets als Reserve an Bord haben. Ich schliesse die Wasserpumpe an und fülle den Wassertank. Die eine Toilette funktioniert, bei der anderen scheint das Seeventil von aussen zugewachsen zu sein. Das kann bis morgen warten. Und schon haben wir Strom, somit Licht und können leben.
Da wir alle Nahrungsmittel vor acht Monaten gezielt aufgebraucht haben, ist die MON AMIE ernährungstechnisch völlig hohl. Ausser ein paar Flaschen Trinkwasser, die Christa damals schon weitsichtig gebunkert hat. Dank dem Mietwagen ist es aber ein Einfaches bei einem Supermarkt ein paar Lebensmittel zu kaufen, und so geniessen wir unseren ersten Abend zu Hause bei Spaghetti und Salat.
Obwohl Lenny's Koje in der Gästekabine von uns bezugsbereit hinterlassen wurde, erscheint es uns jetzt völlig grotesk, ihn nachts nicht direkt bei uns zu haben. Wir schlagen also in unserer Achterkabine das Lager für drei auf und schlafen wider Erwarten herrlich, obwohl das Bett nur halb so breit ist wie dasjenige in der Schweiz. Aber es braucht halt im Leben mehr als nur ein breites Bett. Es braucht auch Ambiente. Und nichts ergänzt sich so gut wie herrlich knarrende Festmacher und ein zufrieden wohliges Baby-Schnarchen!
Von der grossen Freiheit unter Segeln merken wir in den ersten Wochen an Bord nicht viel. Alles ist eng und irgendwie mühsam. Noch immer ist nicht alles aus den Reisetaschen verstaut und überall herrscht Chaos. Jeder Tropfen Warmwasser muss erst gekocht werden und auch das Waschen von Hand ist sehr ernüchternd. Wie einfach war das in der Schweiz. Einfach rein in die Waschmaschine, raus, fertig.
Es fehlt der Platz, auf und ab zu gehen um Lenny in den Schlaf zu wiegen. Unsere einfache Ein-Zimmer-Wohnung der letzten acht Monate kommt uns riesig und luxuriös vor. Neue "Techniken" müssen gefunden werden. Ich gehe mit Lenny einfach zwischen Kochherd und Navigationstisch hin und her. Ein Schritt vor, einer zurück und von neuem.
Auch fehlten uns zu Anfang die Sozialkontakte. Ein Spontanbesuch hier, ein Telefongespräch mit der Schwester da, Einladungen, Arbeitskollegen und so weiter. Dazu war ich krank wie seit Jahren nicht mehr. Fieber, Husten und Mittelohrenentzündung und Lenny quälte eine Augeninfektion. Christa hatte es nicht einfach mit zwei kranken "Männern", die sich dabei so gar nicht wie "Männer" aufführten.
Zudem gingen die Schiffsarbeiten, um wieder flott zu werden, kaum voran. Mein Kranksein bremste uns, und Lenny beanspruchte viel unserer Zeit. Zuviel, denn manchmal bestand unser beider Tagesablauf nur aus Auftischen, Abräumen, Abwaschen, Wickeln, Lenny Einschlafen machen, Duschen gehen, Putzen, Waschen und Aufräumen! Dabei entdeckten wir aber auch neuartige Ineffizienzen, weil wir nun plötzlich immer beide daheim sind, und ich nicht einfach den ganzen Tag weg am Arbeiten bin. Und an Arbeitsstunden fehlte es uns, um die MON AMIE wieder segelbereit zu machen. So teilen wir uns seither den Tag auf. Am Morgen schaut Christa zu Lenny und ich habe frei. Das heisst ich habe frei am Schiff zu arbeiten! Am Nachmittag läuft es dann jeweils umgekehrt. So können wir beide unseren Projekten wie Windpilot montieren, Segel anschlagen, Motoren auswintern, Decksausrüstung platzieren, Reelingsnetz montieren, Unterwasserschiff reinigen und so weiter nachgehen, und der Haushalt muss nebenher gehen. So klappt das ganz prima und wir haben beide noch längst genug Zeit um Lenny zu geniessen.
So sind wir nun sozusagen segelbereit. Wir sind auch schon kurz ausgelaufen und haben eine Runde unter Maschine gedreht. Zu mehr hat es noch nicht gereicht, denn es ist wieder einmal unfassbar was hier Stürme um das Kap der Guten Hoffnung ziehen. Oft haben wir tagelang nie unter acht Windstärken! Vor allem auch nachts kann das mit der Zeit ganz schön die Nerven strapazieren. Immer dieses Heulen, immer dieser Lärm.
Doch von uns aus kann es jetzt noch wehen wie es will. Gemässigte Windverhältnisse brauchen wir erst wenn wir auslaufen!
Der erste Schlag wird, wie kann es auch anders sein, um das Kap der Guten Hoffnung führen! Zum siebten Mal. Nach einem Stopp in Kapstadt geht es dann richtig los.
Die MON AMIE ist bereits vollgebunkert. Mehrere hundert Kilogramm unverderbliche Lebensmittel haben wir an Bord geschleppt und sorgfältig verstaut. Das Frischzeug kommt ganz am Schluss. Wir nutzen noch einmal die günstigen Lebensmittelpreise Südafrikas und kaufen für sechs Monate ein. Und hier haben wir einen Steg. Danach geht alles nur noch per Beiboot.
Wir sind gespannt, wie das Segeln gehen wird zusammen mit Lenny. Aber es ist ja nur Segeln, wir machen uns keine Sorgen. Und vorerst sind wir noch in "heimischen Gewässern". Es ist auch schön, mit ein paar kurzen Schlägen zu beginnen. 60 Seemeilen nach Hout Bay, dann 20 nach Kapstadt, dann 35 nach Dassen Island, noch mal 40 nach Saldanha Bay und dann erst 500 Seemeilen nach Lüderitz.
Bei der Vorstellung als ersten Törn hier von Simon's Town aus direkt Brasilien ansteuern zu müssen, würde uns schon etwas mulmig. Doch bis Walfischbucht in Namibia haben wir erstmal 900 Seemeilen in Etappen vor uns zur Eingewöhnung.
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