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Heute schon gesegelt? www.zueger-yachting.ch  

Get ready...

Seit acht Wochen leben wir jetzt auf unserer MON AMIE, unsere geplante Zeit zur Instandsetzung neigt sich dem Ende zu. Viele grosse Arbeitslisten haben wir erledigt, wenige kleine warten noch darauf.

Verrücktes Gefühl! Die letzten sechs Monate waren an Spannung und Ereignissen kaum zu überbieten. Da finden wir unser Traumschiff, es liegt im Budget, erfüllt alle unsere gestellten bedeutenden Anforderungen, und segelt - obwohl fest in der Box vertäut - direkt in unser Herz! Dann geht es Schlag auf Schlag: Man weiht die Familie ein. Die Überraschung ist gar nicht sehr gross, Kommentare wie "hab ja gewusst das so was mal kommt" wechseln sich ab mit Wehmut, weil die nächsten Jahre nicht wirklich geteilt werden können. Doch die Begeisterung ist stärker, ein Traum wird wahr, alle sind moralisch dabei. Dann: wie bringe ich es dem Chef bei, dass sich der Juniorpartner, statt in dessen Fusstapfen zu treten, lieber auf abenteuerliche Weltumseglerpfade begibt? Und das grösste Abenteuer: dann auch wirklich nochmals zum Objekt der Begierde anreisen, mit dem Eigner fighten, sich entscheiden, es wagen, abdrücken, kaufen, ein Grossteil des Ersparten auf einen Knall ausgeben! Haben wir alles beachtet? Sind wir uns sicher? Haben wir den Mut? Nicht nur darüber reden, es wirklich tun? Wurden keine Mängel übersehen? Ob das Schiff auch bei langen Strecken und schwerer See wirklich ‚von unten' trocken segelt? Und die Maschinen? Die Kielform? Gewissheit ist noch weit entfernt das sind wir uns im klaren, das braucht ein paar tausend Seemeilen. Das ist vor einem Kauf nie möglich. Wir wagen es. Kaufen. Tun es. Tauschen unsere sichere Existenz an Land gegen das ultimative Abenteuer ein. Aventuriers statt fonctionaires!
Hoffentlich kommen wir wieder.

Richtig schön wohnlich ist es nun. Und wir sind segelfertig. Mit neu bezogenen Polstern und Vorhängen in Salon und Kojen, das ganze Schiff von vorne bis hinten gereinigt und gepflegt, den Umzug gänzlich verstaut, die Alltagsdinge an ihrem festen Ort.

Auch an den strukturellen Dingen einer Segelyacht haben wir gearbeitet. Beide Antriebsmaschinen und den Generator haben wir durchgecheckt. Ölwechsel an allen drei Motoren, alle Filter gewechselt, Keilriemen erneuert. Und vor allem: Ein Ersatzteillager für alle diese Dinge erstellt. So verbrachten Christas Vater Puck und ich ganze Tage im Maschinenraum. Für Yachtverhältnisse ist da recht viel Platz, und durch das Entfernen des Cockpitbodens hat man sogar Stehhöhe. Da waren natürlich auch viele kleine Probleme. Der Anlasser vom Generator war komplett verdreckt und wurde von Puck fachmännisch überholt. Die Schäden sind entstanden, weil der Treibstoffkreislauf mehrere Lecks hatte, und so immer wieder Luft ins Treibstoffsystem gelangte. Doch jetzt braucht man den Starterknopf kaum mehr zu berühren, und schon schnurrt der Diesel in seiner Schalldämpfbox friedlich vor sich hin!

Weiter schweissten wir Schraubengewinde von unten an den Maschinenraumdeckel den man jetzt mit Querstangen dicht und sicher von innen verschliessen kann - ein wichtiger Sicherheitsfaktor, ist doch das Schiff ohne diesen Boden an einer sehr empfindlichen Stelle völlig offen und der See ausgesetzt. Nicht auszudenken wenn da grosse Brecher einsteigen könnten!

Bevor wir definitiv nach Holland fuhren war natürlich eine grosse nautische Einkaufstour unumgänglich. Und das nur an der besten Adresse nautischer Ausrüster in der Schweiz: Bucher & Walt, St. Blaise. Wie immer wurden wir hervorragend und kompetent bedient. Die Verkäufer waren von unserem Projekt begeistert und kurz darauf ging unser kleines Auto vor unseren sorgenvollen Blicken fürchterlich in die Knie. Christa hat zwar keinen Führerschein, doch trotzdem war sie es, die vernünftigerweise auf die Nutzlast im Fahrzeugausweis hinwies. Jedenfalls wanderten 150kg Ankerkette, ein 24kg Zweitanker, eine Leinenrolle mit 100Meter Ankertrosse, diverse andere Leinen, Ersatzdichtungen für die Toiletten, ein elektrisches Barometer, 10 Rollen Vulkanband und vieles vieles mehr in den Micra.

Wir mussten uns auch an das ‚neue' Leben gewöhnen. So lang geträumt - plötzlich da. Da macht das Gehirn und das Herz ganz schön was mit. 3 Monate zügeln, und nie etwas auf Anhieb finden. Tausend mal Abschied. Auf Jahre. Wir müssen beide unseren Platz an Bord finden, uns selber an Bord zurechtfinden. Jeden Tag schneien neue Probleme in den Salon der MON AMIE. Probleme die nach Lösungen rufen. Für Lösungen sind ab sofort nur noch wir zwei zuständig. Für Probleme auch. Segeln wollten wir. Uns der Natur aussetzen. Uns aufs Wesentliche beschränken; keinen fremden Einflüssen unterworfen sein; kein Alltag mehr von acht bis fünf; ein eigenverantwortliches Leben leben, selbständig; niemandem eine Schuld für gar nichts geben können; ein Leben ohne doppelten Boden, ein insgesamt dichteres und intensiveres Leben als es auf gewohnten Pfaden sein kann, wollten wir leben.
Jetzt haben wir's.

Auch an Deck hatte die MON AMIE Pflege nötig. Von unseren Eltern, die jeweils eine Woche nach Holland kamen und in die Arbeitshosen stiegen, tatkräftig unterstützt, wurden sämtliche Rostschäden an Deck entfernt und die Farbschichten neu aufgebaut. Mami Züger: "Warum habt Ihr denn kein ‚Tupperware'-Schiff gekauft?!"

Beim Montieren der Windfahne Pacific Plus II von Windpilot wussten wir dann wieder warum. Bohrungen knapp über der Wasserlinie durch 4mm Stahl sind zwar arbeitsintensiv, doch wächst dabei auch unwillkürlich ein starkes Vertrauen in die Kollisionssicherheit eines Stahlrumpfes, sei es durch Grund, ein Riff, ein Meerestier, ein Baumstamm oder einen treibenden Container. Nach 2 Tagen intensiver Arbeit erstrahlte dann das edle Aluminiumteil glänzend am Heck der MON AMIE. Es soll uns Tag und Nacht bei wenig und viel Wind und auf allen Kursen zum Wind zuverlässig steuern. Doch das will erst noch getestet sein. Immerhin sieht unser Schiff dadurch nun mal optisch schon richtig weltumseglermässig aus!

Jede Lösung verlangt eine Entscheidung. Und auf See - das wissen wir - kommt man nur mit wirklichen Lösungen durch, nicht mit blossen Vorstellungen. Doch jede technische Entscheidung hat weitreichende Folgen im wahrsten Sinn des Wortes. Unsere eigenen Entscheidungen müssen weit reichen, uns viele Meilen tragen. Sie dürfen uns aber auch nicht am Anfang bereits in den finanziellen Kollaps führen, sonst stirbt unser Projekt bevor es richtig angefangen hat. Eine Segelyacht ist ein komplexes Gerät das einem enormen Katalog an Anforderungen gerecht werden muss. Von Wohnqualität am Anker, im Hafen, beim Segeln über verschiedene Klimazonen, 0-40° Celsius, über Sicherheit, Segeleigenschaften, Baustoff Stahl, Holz, Rigg, Maschinen, Elektrik, Elektronik, alles muss dicht und isoliert sein und so weiter. Dadurch sind viele Entscheidungen beim ‚Re-fit' einer Yacht für weltweite Fahrt komplex miteinander verknüpft und verlangen jeweils wieder nach weiteren Lösungen. Auch müssen diese Lösungen immer ganzheitlich angeschaut werden, denn auf dem Meer werden selbst die abstraktesten, unmöglichsten Vorstellungen weit übertroffen werden. Murphy's law lässt grüssen. Daher das Ziel: Es sollte nicht möglich sein, dass sich eine Verkettung unglücklicher Zufälle in einer bestimmten Situation gefährlich verschärft. Darf nicht.

Das ganze laufende Gut haben wir in Weichspülbädern durchgewaschen, neue Reffleinen eingezogen und Grosssegel und Rollgenua montiert. Beim Segelmacher haben wir eine Stagfock mit Reffreihe, eine Sturmfock und ein Trysegel in Auftrag gegeben und haben wirklich erstklassige Segel erhalten. Dafür haben wir neue Holepunkte eingerichtet, alle Winschen generalüberholt und eine zusätzliche Mastwinsch montiert. Wir haben 100 Meter 8mm-Ankerkette aufs Schiff geschleppt sowie zwei zusätzliche Anker.

Ereignisreich war auch das Auswassern des Schiffes. Sahen wir doch zum ersten mal live die Unterwasserformen unserer MON AMIE. Als ich mich dann im ältesten Ölzeug an die Drecksarbeit des Schlammabspritzens machte, kamen nach und nach Rost- und Elektrolyseschäden zum Vorschein! Der Grund wurde uns rasch klar: Der Voreigner hatte mit den Zinkanoden nicht nur zahlenmässig gespart sondern sie auch noch mit Antifouling überstrichen! So kann natürlich kein Strom fliessen und somit wurde statt der Opferanoden der Stahlrumpf der MON AMIE angegriffen. Stecknadelkopf kleine Löcher im Stahl sind in deren Tiefe schwierig zu schätzen. Wir ‚einigten' uns auf auf 0.2mm. Nach einer sorgenreichen und schlaflosen Nacht haben Christa und ich uns die ganze Überraschung am Morgen nochmals auf nüchternen Magen angeschaut. Bei einem Unterwasserschiff welches 6mm mächtig ist, können 0.2mm nicht substanziell gefährlich sein. Das meinte auch der Experte von der Firma International. Nach der Diagnose Elektrolyse einigten wir uns auf die Behandlung Sandstrahlen, denn es wurde gar nie ein professioneller Farbaufbau auf den Stahl gestrichen. Zudem hat man damals im Gegensatz zu heute die sogenannten Walzschichten der Stahlplatten nach dem Zusammenschweissen des Schiffsrumpfes nicht durch Sandstrahlen von Anfang an entfernt. Wir einigten uns bezüglich der Restzahlung mit dem Voreigner, der sich seiner Schuld über die vorliegenden Schäden bewusst war, und meldeten uns zum Sandstrahlen an. So kriegt die MON AMIE schlicht ein neues Unterwasserschiff, besser als es beim Stapellauf vor 12 Jahren war!

Freiheit wollten wir. Sich treiben lassen können. Eigene Arbeits- und Tagesgestaltung. Wir haben unseren Rythmus gefunden der glücklicherweise gar keiner ist. Wir haben uns durch die Anfangsschwierigkeiten gekämpft und danken allen die uns tatkräftig vor Ort oder zu Hause geholfen haben. Viele gestandene WeltumseglerInnen sagen, dass die Zeit vor dem Start die schwierigste sei und es mit dem Auslaufen nur noch einfacher wird. Wir sind gespannt.

Natürlich sind wir dazwischen auch endlich mal gesegelt. Und: unsere Erwartungen wurden übertroffen! Selbst bei 2 Windstärken läuft das Schiff bereits recht gut. Und bei 5-6 Windstärken auf raumem Kurs legt sie sich ganz sanft ein wenig zur Seite und segelt dann wie auf Schienen ihre 6-7 Knoten. Völlig stabil und nicht so lebendig und nervös wie ein Cruiser/Racer derselben Grösse mit der Hälfte an Gewicht. Eine fabelhafte Fahrtenyacht, die bei Leichtwind segelbar ist und bei Starkwind unbeirrbar sicher ihren Kurs läuft. Das brauchen wir.

Zwei Monate auf der MON AMIE. Gehören mit zu den besten in unserem Leben. Würde mit einem fiktiven Knall jetzt alles enden und wir würden uns im ‚alten' Leben wiederfinden - es hätte sich bereits gelohnt, ohne eine Meile!

Wir haben wieder Muskeln gekriegt durch die tägliche körperliche Arbeit. Das wird uns beim Segeln helfen. Wir sind abends todmüde mit schweren Gliedern richtig glücklich in UNSERE Kojen gesackt. Wir haben eine Metamorphose eines Schiffes miterlebt und geschaffen - unseres Schiffes. Uns unser Heim eingerichtet. Wir sind längst daheim auf der MON AMIE und freuen uns aufzubrechen. Unser Zuhause werden wir dabei haben. Das haben wir uns gewünscht. Wir sind gespannt, neugierig, auch ein bisschen nervös. Aber vor allem: glücklich und gefordert. Was will man mehr?

Mitte Juni werden wir auslaufen. Erstes Ziel unserer Weltumsegelung ist kein geringeres als: Amsterdam!

 
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