Wir werden Eltern und freuen uns riesig!
Die vielen wetterbedingten Wartezeiten in den Etappenhäfen Südafrikas haben dazu
beigetragen, und East London wird uns das Leben lang ganz besonders in Erinnerung bleiben...
Sechs Mal haben wir das Kap der Guten Hoffnung bereits umrundet, und jedes Mal war unser
Kind in Christas Bauch dabei.
Wollten wir anfangs noch schwanger in die Karibik zur Geburt segeln, merkten wir schnell,
dass unser Kind genau inmitten der Hurrikan-Saison auf die Welt kommen würde. Das erschien uns
zu stressig.
Brasilien und Venezuela dagegen erscheinen uns zu unterentwickelt und dort lauern Probleme
mit der Aufenthaltsbewilligung. Argentinien war uns von Südafrika her zu weit entfernt,
und so richteten wir uns auf ein Jahr Baby-Pause in Kapstadt ein.
In und um Kapstadt fühlen wir uns sehr wohl, und die Segelindustrie ist gross. Wohl kein
Problem für mich Arbeit zu finden, um gleichzeitig zum mehrmonatigen Reisestop noch Geld
verdienen zu können.
Ich hatte dann auch bald die Auswahl zwischen Segellehrer, für die dort in grosser Zahl
durchgeführten Yachtmaster-Kurse, einem Job als Werftarbeiter, und als Barkeeper.
Doch leider wären alle Jobs äusserst schlecht bezahlt, und zudem sind südafrikanische
Rand kaum aus dem Land auszuführen, denn niemand wechselt einem grössere Beträge in Euros
oder Dollars um. Wenn denn überhaupt grössere Beträge schlussendlich zu wechseln gewesen wären...
Des weiteren behagte vor allem mir die Vorstellung ganz und gar nicht, dass Christa
hochschwanger tagelang alleine auf der MON AMIE sein würde, und ich irgendwo für wenig
Geld von früh bis spät am ackern wäre. Diese trüben Gedanken wurden noch von der Erkenntnis
verstärkt, dass Kapstadt ein ausgesprochenes Winterregengebiet ist.
Die Frage stellte sich also: Wo wäre Christa nicht so alleine? Wo kann man besser Geld
verdienen? Und wo ist im südhemisphärischen Winter Sommer?
In der Schweiz natürlich!
Wir waren von dieser Idee plötzlich beide Feuer und Flamme. Bei mir selbst ist es bereits
drei Jahre her, dass ich zum letzten Mal in der Schweiz gewesen bin.
Unsere Familien vor, um, und nach der Geburt um uns zu haben, erschien uns sehr verlockend,
und ein bisschen südafrikamüde sind wir nach eineinhalb Jahren ehrlicherweise auch.
In Kapstadt fanden wir bis dahin auch noch kein schönes Umfeld für unsere Geburt, wo es uns
beiden wohl gewesen wäre. Man hat in Südafrika nur die Wahl zwischen öffentlichen Spitälern,
da befindet man sich völlig in Drittweltverhältnissen, oder den höchst klinischen Kreisen
der reichen Weissen. Etwas dazwischen scheint es nicht zu geben. Die erste Untersuchung im
öffentlichen Krankenhaus kostete uns zwar nur zehn Euro, doch die hygienischen und personellen
Umstände desillusionierten uns total, obwohl wir nach unserer Afrika-Tour nicht gerade
zimperlich sind. In der super teuren, Messing geputzten Welt der Weissen hingegen, wollte uns
der Gynäkologe schon kurz nach dem Händeschütteln zu einem Kaiserschnitt überreden...
So planten wir relativ kurz entschlossen alles für ein sicheres Verweilen unserer MON AMIE
und buchten zwei Flüge in die Schweiz. Einige Schiffsarbeiten, die wir noch von Richard's Bay
her auf Kapstadt verschoben hatten, waren vorher noch zu bewältigen. Zum Beispiel das Verändern
des Achterstags, das Nähen eines Sonnendachs sowie das Pressen neuer Reelingsdrähte, was beides
mit unserem Kind dann noch wichtiger sein wird. Und, wie immer bei Arbeiten am Boot, noch ein
paar Dutzend andere Kleinigkeiten...
Dafür verholten wir für ein paar Wochen von Simon's Town nach Capetown-City, um alles
Schiffstechnische einigermassen in Reichweite zu haben. Dort trafen wir auch zum ersten Mal
auf unserer Reise auf den Tross der Weltumsegler. Jedenfalls auf den kleineren Teil davon,
der von Australien, statt durchs Rote Meer, um Afrika zurück nach Europa, beziehungsweise
Amerika, segelt. Es war schön, all die Gleichgesinnten zu treffen und kennenzulernen, doch
manchmal war es auch von fadem Einheitsbrei umgeben, weil viele der Yachten sehr organisiert
und kommunikativ eng im Verbund segeln. Statt den von uns erhofften Abenteuergeschichten
kriegten wir oft nur die diversen Marinas zwischen Panama und Thailand aufgezählt, wurden aber
selbst mit offenen Mündern bestaunt wenn wir über unsere Erlebnisse in Ostafrika plauderten
und dabei erwähnten, manchmal über Monate keine andere Segelyacht getroffen zu haben.
Die Kapregion wurde uns sehr schnell vertraut, und es ist immer wieder erstaunlich,
wie schnell man sich als Kosmopolit an fremden Orten heimisch fühlt. Nichtsdestotrotz
wurde an Bord der MON AMIE die Schweiz zum Gesprächsthema Nummer eins. "Diese Freunde besuchen
wir dann", und "da gehen wir auch mal wieder hin", und "davon esse ich dann bis mir die Ohren
wackeln"...!
Wir freuten uns wirklich auf ein paar Monate "zu Hause" und wurden nicht enttäuscht.
Das Wiedersehen mit Familie und Freunden und der vertrauten Umgebung ist schön, genauso
wie tagein tagaus einfach schweizerdeutsch reden zu können. Jetzt sind wir in Sicherheit
und können in Ruhe unser Baby kommen lassen. Wir haben wieder Rechte und das Recht zu bleiben,
ohne immer betteln und bezahlen zu müssen für Visumverlängerungen. Eigentlich ganz nett.
Die Jobsuche von Südafrika aus klang hie und da vielversprechend, doch einmal in der Schweiz,
schien plötzlich keines der Angebote mehr so ganz konkret zu sein. Umso schöner, dass ich kaum
zwei Wochen nach Ankunft ohne Vorabsprache wieder beim ursprünglichen Arbeitgeber, der HOZ
Segel- und Motorbootschule Bielersee, wie schon zum ersten Mal 1994, in ein volles Pensum
einsteigen konnte. Als Segel- und Motorbootinstruktor, B-Schein-Referent und Büroaushilfe,
habe ich nun für die Saison 2005 eine in jeder Beziehung attraktive Arbeitsstelle und es ist
mir sehr wohl dabei. Und natürlich ist es Balsam für unsere Bordkasse!
Wir wohnen jetzt in einer hübschen Einzimmerwohnung im grünen Bern. Sie ist ziemlich billig,
und es ist uns wichtig, unsere eigenen vier Wände zu haben. Die ersten paar Nächte in der
Schweiz waren schon eine Umstellung. Die kalte und trockene Märzluft dörrte unsere Kehlen
aus, sodass wir bald mit einem Luftbefeuchter wieder Tropen spielten. Das sanfte Wogen und
Knarren der MON AMIE fehlt uns immer noch.
Doch es macht auch Spass einen Kühlschrank zu haben, und der macht sogar Eiswürfel, oder
stets Strom zu haben und eine Badewanne.
Von Anpassungsschwierigkeiten keine Spur. Ich gehe jeden Morgen ganz normal auf den Zug
zur Arbeit und abends wieder heim. Ist ja auch klar, wenn man auf der Reise derart flexibel
sein muss um sich in fremden Ländern einleben zu können, dann ist es im eigenen Land sowieso
kein Problem. Christa kümmert sich um den ganzen Rest wie Anmelden bei der Gemeinde,
Krankenkasse, Telefonanschluss, Haushalt, Einkaufen, Kochen und so weiter. Sie hat bis
jetzt eine unkomplizierte und zufriedene Schwangerschaft, worüber wir sehr glücklich sind.
Für uns ist das Leben im Moment in der Schweiz schlicht einfacher. Alles ist geregelt und
kultiviert. Auf der Reise sind die Strapazen im Durchschnitt viel grösser und man muss in
der Ferne irgendwie jeden Tag alles neu erfinden und sich durchschlagen. Doch damit kommt
eben auch ein sehr intensives Lebensgefühl einher, und das ist es, was uns so reizt.
Im Juli soll es also soweit sein, dann werden wir Mama und Papa. Wir sind sehr gespannt.
Und fünf Monate später fliegen wir dann zurück nach Hause auf unsere MON AMIE um weiter zu
segeln. Dann sind wir zu dritt.
Wer da wohl bald zu uns kommen wird...?