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 Fruchtbares Afrika

Kapstadt - Bern

Die MON AMIE liegt abgeräumt in ihrem Liegeplatz. Dort, wo sie die nächsten acht Monate alleine verbringen wird.

Wie in einem Spinnennetz haben wir sie vertäut, doppelt und dreifach, damit sie den Herbst- und Winterstürmen am Kap der Guten Hoffnung trotzen kann. Die Segel sind abgeschlagen und verstaut. Rettungsring, Beiboot, Leinenrollen, Kanister und alles was normalerweise an Deck gestaut ist, haben wir im Schiffsinnern sicher gelagert und verpackt. Die Lukendichtungen haben wir gefettet, die Süsswassertanks entleert, die Wasserpumpe getrocknet, die Dieseltanks aufgefüllt, die Batterien getrennt, die Motoren aufwändig konserviert, die Lebensmittel aufgebraucht und das ganze Schiff innen und aussen hübsch geputzt.
Ein Freund vom Hafen in Simon's Town gibt auf die MON AMIE acht während wir weg sind, und so hoffen wir, unser Schiff nach acht Monaten wieder in gutem Zustand anzutreffen. Unsere Retourflüge für Ende November haben wir bereits beim Verlassen Südafrikas gebucht. Doch da kommt dann noch ein Ticket mehr dazu...

Wir werden Eltern und freuen uns riesig!
Die vielen wetterbedingten Wartezeiten in den Etappenhäfen Südafrikas haben dazu beigetragen, und East London wird uns das Leben lang ganz besonders in Erinnerung bleiben...

Sechs Mal haben wir das Kap der Guten Hoffnung bereits umrundet, und jedes Mal war unser Kind in Christas Bauch dabei.

Wollten wir anfangs noch schwanger in die Karibik zur Geburt segeln, merkten wir schnell, dass unser Kind genau inmitten der Hurrikan-Saison auf die Welt kommen würde. Das erschien uns zu stressig.
Brasilien und Venezuela dagegen erscheinen uns zu unterentwickelt und dort lauern Probleme mit der Aufenthaltsbewilligung. Argentinien war uns von Südafrika her zu weit entfernt, und so richteten wir uns auf ein Jahr Baby-Pause in Kapstadt ein.
In und um Kapstadt fühlen wir uns sehr wohl, und die Segelindustrie ist gross. Wohl kein Problem für mich Arbeit zu finden, um gleichzeitig zum mehrmonatigen Reisestop noch Geld verdienen zu können.
Ich hatte dann auch bald die Auswahl zwischen Segellehrer, für die dort in grosser Zahl durchgeführten Yachtmaster-Kurse, einem Job als Werftarbeiter, und als Barkeeper. Doch leider wären alle Jobs äusserst schlecht bezahlt, und zudem sind südafrikanische Rand kaum aus dem Land auszuführen, denn niemand wechselt einem grössere Beträge in Euros oder Dollars um. Wenn denn überhaupt grössere Beträge schlussendlich zu wechseln gewesen wären...

Des weiteren behagte vor allem mir die Vorstellung ganz und gar nicht, dass Christa hochschwanger tagelang alleine auf der MON AMIE sein würde, und ich irgendwo für wenig Geld von früh bis spät am ackern wäre. Diese trüben Gedanken wurden noch von der Erkenntnis verstärkt, dass Kapstadt ein ausgesprochenes Winterregengebiet ist.
Die Frage stellte sich also: Wo wäre Christa nicht so alleine? Wo kann man besser Geld verdienen? Und wo ist im südhemisphärischen Winter Sommer?
In der Schweiz natürlich!
Wir waren von dieser Idee plötzlich beide Feuer und Flamme. Bei mir selbst ist es bereits drei Jahre her, dass ich zum letzten Mal in der Schweiz gewesen bin.
Unsere Familien vor, um, und nach der Geburt um uns zu haben, erschien uns sehr verlockend, und ein bisschen südafrikamüde sind wir nach eineinhalb Jahren ehrlicherweise auch.
In Kapstadt fanden wir bis dahin auch noch kein schönes Umfeld für unsere Geburt, wo es uns beiden wohl gewesen wäre. Man hat in Südafrika nur die Wahl zwischen öffentlichen Spitälern, da befindet man sich völlig in Drittweltverhältnissen, oder den höchst klinischen Kreisen der reichen Weissen. Etwas dazwischen scheint es nicht zu geben. Die erste Untersuchung im öffentlichen Krankenhaus kostete uns zwar nur zehn Euro, doch die hygienischen und personellen Umstände desillusionierten uns total, obwohl wir nach unserer Afrika-Tour nicht gerade zimperlich sind. In der super teuren, Messing geputzten Welt der Weissen hingegen, wollte uns der Gynäkologe schon kurz nach dem Händeschütteln zu einem Kaiserschnitt überreden...
So planten wir relativ kurz entschlossen alles für ein sicheres Verweilen unserer MON AMIE und buchten zwei Flüge in die Schweiz. Einige Schiffsarbeiten, die wir noch von Richard's Bay her auf Kapstadt verschoben hatten, waren vorher noch zu bewältigen. Zum Beispiel das Verändern des Achterstags, das Nähen eines Sonnendachs sowie das Pressen neuer Reelingsdrähte, was beides mit unserem Kind dann noch wichtiger sein wird. Und, wie immer bei Arbeiten am Boot, noch ein paar Dutzend andere Kleinigkeiten...

Dafür verholten wir für ein paar Wochen von Simon's Town nach Capetown-City, um alles Schiffstechnische einigermassen in Reichweite zu haben. Dort trafen wir auch zum ersten Mal auf unserer Reise auf den Tross der Weltumsegler. Jedenfalls auf den kleineren Teil davon, der von Australien, statt durchs Rote Meer, um Afrika zurück nach Europa, beziehungsweise Amerika, segelt. Es war schön, all die Gleichgesinnten zu treffen und kennenzulernen, doch manchmal war es auch von fadem Einheitsbrei umgeben, weil viele der Yachten sehr organisiert und kommunikativ eng im Verbund segeln. Statt den von uns erhofften Abenteuergeschichten kriegten wir oft nur die diversen Marinas zwischen Panama und Thailand aufgezählt, wurden aber selbst mit offenen Mündern bestaunt wenn wir über unsere Erlebnisse in Ostafrika plauderten und dabei erwähnten, manchmal über Monate keine andere Segelyacht getroffen zu haben.

Die Kapregion wurde uns sehr schnell vertraut, und es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man sich als Kosmopolit an fremden Orten heimisch fühlt. Nichtsdestotrotz wurde an Bord der MON AMIE die Schweiz zum Gesprächsthema Nummer eins. "Diese Freunde besuchen wir dann", und "da gehen wir auch mal wieder hin", und "davon esse ich dann bis mir die Ohren wackeln"...!
Wir freuten uns wirklich auf ein paar Monate "zu Hause" und wurden nicht enttäuscht. Das Wiedersehen mit Familie und Freunden und der vertrauten Umgebung ist schön, genauso wie tagein tagaus einfach schweizerdeutsch reden zu können. Jetzt sind wir in Sicherheit und können in Ruhe unser Baby kommen lassen. Wir haben wieder Rechte und das Recht zu bleiben, ohne immer betteln und bezahlen zu müssen für Visumverlängerungen. Eigentlich ganz nett.

Die Jobsuche von Südafrika aus klang hie und da vielversprechend, doch einmal in der Schweiz, schien plötzlich keines der Angebote mehr so ganz konkret zu sein. Umso schöner, dass ich kaum zwei Wochen nach Ankunft ohne Vorabsprache wieder beim ursprünglichen Arbeitgeber, der HOZ Segel- und Motorbootschule Bielersee, wie schon zum ersten Mal 1994, in ein volles Pensum einsteigen konnte. Als Segel- und Motorbootinstruktor, B-Schein-Referent und Büroaushilfe, habe ich nun für die Saison 2005 eine in jeder Beziehung attraktive Arbeitsstelle und es ist mir sehr wohl dabei. Und natürlich ist es Balsam für unsere Bordkasse!

Wir wohnen jetzt in einer hübschen Einzimmerwohnung im grünen Bern. Sie ist ziemlich billig, und es ist uns wichtig, unsere eigenen vier Wände zu haben. Die ersten paar Nächte in der Schweiz waren schon eine Umstellung. Die kalte und trockene Märzluft dörrte unsere Kehlen aus, sodass wir bald mit einem Luftbefeuchter wieder Tropen spielten. Das sanfte Wogen und Knarren der MON AMIE fehlt uns immer noch.
Doch es macht auch Spass einen Kühlschrank zu haben, und der macht sogar Eiswürfel, oder stets Strom zu haben und eine Badewanne.
Von Anpassungsschwierigkeiten keine Spur. Ich gehe jeden Morgen ganz normal auf den Zug zur Arbeit und abends wieder heim. Ist ja auch klar, wenn man auf der Reise derart flexibel sein muss um sich in fremden Ländern einleben zu können, dann ist es im eigenen Land sowieso kein Problem. Christa kümmert sich um den ganzen Rest wie Anmelden bei der Gemeinde, Krankenkasse, Telefonanschluss, Haushalt, Einkaufen, Kochen und so weiter. Sie hat bis jetzt eine unkomplizierte und zufriedene Schwangerschaft, worüber wir sehr glücklich sind.
Für uns ist das Leben im Moment in der Schweiz schlicht einfacher. Alles ist geregelt und kultiviert. Auf der Reise sind die Strapazen im Durchschnitt viel grösser und man muss in der Ferne irgendwie jeden Tag alles neu erfinden und sich durchschlagen. Doch damit kommt eben auch ein sehr intensives Lebensgefühl einher, und das ist es, was uns so reizt.

Im Juli soll es also soweit sein, dann werden wir Mama und Papa. Wir sind sehr gespannt. Und fünf Monate später fliegen wir dann zurück nach Hause auf unsere MON AMIE um weiter zu segeln. Dann sind wir zu dritt.
Wer da wohl bald zu uns kommen wird...?

 
 
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