Heute schon gesegelt? www.zueger-yachting.ch
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Familienalltag an Bord
Simon's Town - False Bay - Kap der Guten Hoffnung - Kapstadt
Nun liegt es definitiv im Kielwasser, das Kap der Guten Hoffnung. Neun Mal haben wir es jetzt umrundet und neun Mal sind genug. Wir sind dem stürmischen Südafrika etwas überdrüssig geworden. Es ist zum Segeln oft so rau, so feindselig, so kalt, und nicht ungefährlich. Uns ist eher nach Tropen und Passat, Sandstrand und Türkiswasser zumute - Brasilien wir kommen!
Doch im Moment sind wir schon stolz, den Absprung von Simon's Town geschafft zu haben, wo wir unsere MON AMIE so sicher stehen lassen konnten. Denn je länger man irgendwo vor Anker liegt, desto schwieriger wird es, ihn zu lichten. Das geht allen Seglern so.
Eigentlich waren wir vor zwei Monaten schon so weit. Wir liefen aus und hatten das Kap schon umrundet, doch plötzlich wehte uns stürmischer Nordwestwind genau auf die Nase. Wir hatten keine Chance, mussten abdrehen, und waren schliesslich froh, es wenigstens sicher zurück nach Simon's Town geschafft zu haben. Für Lenny war es eine Wassertaufe im wahrsten Sinn des Wortes, nur mit viel mehr Wasser als wir uns gewünscht hätten. Aber so kann es einem hier unten trotz sorgfältigster Wettertaktik gehen.
Doch heute können wir uns sicher sein, denn ein moderater Südostwind schiebt uns von hinten angenehm in Richtung Kapstadt. Das Grosssegel im ersten Reff ist mit dem Bullenstander gesichert, die Genua mal ausgebaumt, mal raumschots getrimmt. Die Schiffsbewegungen sind harmonisch und wir machen zufriedene sechs Knoten über Grund. Wie im Passat.
Eines aber muss man den Küsten Südafrikas lassen: der Tierreichtum sucht seinesgleichen. Auf diesen 70 Seemeilen sichten wir heute unzählige Robben und Pinguine, Tölpel und Kormorane, Delphine, einen Wal und sogar einen Hai an der Wasseroberfläche. Tierbegegnungen für ein ganzes Seglerleben an einem Tag! Nun ja, wir geniessen es. Wir haben unseren Preis schon zur Genüge bezahlt.
Lenny ist nach anfänglicher Seekrankheit putzmunter und erkundet bald das Achterdeck, dank Reelingsnetz kein Problem. Den Kinderwagen haben wir im Cockpit festgezurrt. So kann er darin schlafen, essen, spielen und wir können ihn immer möglichst gut schattieren. Die Sonne ist auf der Südhalbkugel wegen des Ozonlochs sehr aggressiv. Schon beim Kauf des Kinderwagens in der Schweiz, haben wir daran gedacht, dass dies einer der Aufenthaltsorte von Lenny während des Segelns sein wird. Vor allem auch bei Segelmanövern, wenn wir keine freie Hand für ihn haben, ist er trotzdem bei uns, sieht und hört uns, und ist durch das Cockpitdach zusätzlich geschützt. Das vertiefte Mittelcockpit der MON AMIE, bei ihrer Breite von vier Metern, eignet sich als Kinderspielwiese hervorragend.
Die letzten Wochen vergingen wie im Flug. Es ist viel Arbeit, ein "eingewintertes" Schiff wieder zum Leben zu erwecken und es für sechs Monate zu verproviantieren. Des Weiteren war und ist die Arbeitsliste lang wie immer. Doch wir merken immerhin zum ersten Mal seit vier Jahren, dass wir schiffstechnisch langsam auf einen Stand kommen, wo uns nichts mehr so schnell aus der Ruhe bringt. Hoffentlich bleibt es so.
Lenny hat sich völlig an das Leben an Bord, wenigstens im Hafen, gewöhnt. Er denkt wohl, dass alle Menschen auf Schiffen leben. Er schläft im Heck, wird im Bug gewickelt, spielt am Boden in der Pantry, unter dem Kartentisch, in der Plicht, und bei gutem Wetter schwimmt er seine Runden über das Sonnendeck!
Doch oft fegten in Simon's Town die Stürme derart brutal über die Marina, dass wir die Arbeit niederlegen mussten ob der Schaukelei um an Land zu flüchten. Um etwas für unsere Kondition zu tun, fingen wir an längere Wanderungen zu unternehmen. Bald hatten wir den Dreh raus, wie wir Lenny am besten zu diesen Ausflügen mitnehmen können. Und manchmal fragten wir uns dabei - wie sicher viele junge Eltern - wie langweilig solche Unternehmungen doch ohne Kind wären und was überhaupt am Leben davor ach so spannend war.
So erging es wohl auch meinen Eltern, die uns kurz entschlossen während ihres Kenya-Urlaubes für eine Woche besuchen kamen. Wir mieteten für diese Zeit ein Auto und zeigten ihnen etwas von Kapstadt und Umgebung und fuhren heraus auf das Kap der Guten Hoffnung. Natürlich zeigten wir ihnen auch, wie immer wenn man Yachties besucht, viel von den interessanten Industrievierteln der Kapregion auf der Jagd nach Messingschrauben, Dieselfiltern, Segellatten, Phosphorsäure und vielem mehr. Denn ein Mietwagen soll ja genutzt sein.
Natürlich blieb genügend Zeit für gemeinsame Stunden ausserhalb von Yachtshops und Eisenwarenläden und vor allem genug Zeit für den vermissten Enkelsohn!
Nicht mit einem Mietwagen sondern mit der MON AMIE liegen wir nun in Kapstadt. Nach zwölf Stunden Fahrt legen wir etwas müde aber glücklich hier an. Der Royal Cape Yacht Club am Fuss des berühmten Tafelbergs soll unsere letzte Station in Südafrika sein. Nochmals alles durchchecken und letzte Einkäufe tätigen, dann geht es hinaus auf den Atlantik.
70 Meilen sind wir heute gesegelt. In den nächsten paar Wochen kommen 3600 Seemeilen dazu.
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