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Heute schon gesegelt? www.zueger-yachting.ch  

Blauwasser und Äquator

Djibouti – Kenya

Über 2200 Seemeilen sind wir nonstop ohne Landsicht nach Kenya gesegelt. Drei Wochen blaues Wasser, Wind, Wellen, Sonne, Mond und Sterne. Wir sind über den Äquator gesegelt und werden ab jetzt für lange Zeit auf der Südhalbkugel zu Hause sein.
Die afrikanischen Wüstenländer liegen hinter uns. Kenya gehört zu den inneren Tropen. Hier ist alles üppig grün und herrlich farbig, ein Genuss für unsere Augen! Der von uns seit acht Monaten langersehnte Regen hat den Sandstaub und alles Meersalz bis hoch zur Mastspitze von unserer MON AMIE abgespült. Wir sind frisch geduscht!
Lamu, der nördlichste Hafen von Kenya, hat uns herzlich empfangen. Diese Stadt ist über 1000 Jahre alt und wird vom Fortschritt kaum berührt. Es gibt auf dieser Insel nur ein einziges Auto! Lamu atmet den Hauch der Vergangenheit, und die Uhren gehen hier etwas langsamer als anderswo. Nach den anstrengenden letzten Monaten kommt uns das ganz gelegen! Noch stark mit dem Rhythmus des Meeres verbunden, nach 22 Nächten auf See, lassen wir den Anker fallen und tauchen mit all unseren Sinnen ein. Ins echte Ostafrika!

Es war schon ein gutes Gefühl in Djibouti auszulaufen. Und langersehnt! Doch waren wir auch ziemlich nervös. Dies sollte unsere bisher längste Etappe mit der MON AMIE werden. Und eine kaum planbare dazu. Die Hauptschwierigkeit bei diesem Törn tritt gleich zu Anfang auf. Da weht nämlich Gegenwind während 800 Seemeilen durch den Golf von Aden, bis man, nach Rundung des Horns von Afrika, nach Süden Richtung Äquator abfallen kann. Das Gebiet östlich der Insel Sokotra gilt als der windigste Fleck im Indischen Ozean. Hier gibt es im Juli so viele Stürme wie vor Kap Horn im Sommer! Wir aber segeln im März, und nach Sokotra soll der Nordostmonsun von achtern wehen. Und das verspricht gute Segelbedingungen bis Kenya.

Wir brauchen etwas Zeit, um uns, nach dem langen Aufenthalt vor Anker, wieder einzugewöhnen. Ab jetzt ist Schlaf wieder rationiert. Vier Stunden am Stück ist das längste, was unser Wachplan hergibt. Kurz nach Djibouti ist zu Anfang der Gegenwind recht stark, doch wir kommen gut voran. Nach einigen Tagen setzt ölige Flaute ein. Wir nutzen sie und motoren zügig nach Osten. Flaute ist ein Geschenk in diesem Gebiet! Wir verzichten auch auf einen Stop in Mukallah im Jemen. Aus Sicherheitsgründen wählen wir den Umweg rund um Sokotra. Die Passage zwischen dem Horn von Afrika, welches zu Somalia gehört, und Sokotra, das zum Staatsgebiet Jemen gehört, wird seit Hunderten von Jahren von Piraten heimgesucht. Auch heute noch. Da machen wir lieber drei Tage Umweg und lassen diese Insel an Steuerbord liegen!

Endlich ist Sokotra gerundet. Ab jetzt geht es bergab! Wir tauchen in den Nordostmonsun ein. Er weht während des nordhemisphärischen Winters aus dem indisch-asiatischen Hochdruckgebiet heraus Richtung Äquator und mündet in die innertropische Konvergenzzone. Wir sind ziemlich spät dran, schon am Ende des Winters. Wir hoffen, dass die ITCZ sich dieses Jahr etwas auf ihrem Marsch nach Norden geduldet. Und so ist es dann auch. Wie es schon die meteorologischen Satellitendaten im Internetcafe in Djibouti vorausgezeigt hatten. Wir bleiben von Flaute verschont und können über den Äquator hinweg bis nach Kenya segeln!

Wir montieren den Spinnakerbaum und segeln Schmetterlingskurs. Wir breiten unsere Flügel aus. Alle paar Tage nehmen wir ein Reff aus dem Grosssegel heraus, bis wir schliesslich unter Vollzeug dahinsegeln. Die Bootsbewegungen werden mit Abnahme des Monsuns immer angenehmer und das Leben an Bord bequemer. Dies merkt man vor allem an besserem Schlaf und: an besserem Essen! Wir kochen wieder richtig. Frisches Gemüse, selbstgebackenes Brot, Obstkuchen, Gratins...

Wachplan und Tagesablauf sehen normalerweise etwa so aus:

22h00-02h00 Nachtwache Simi
02h00-06h00 Nachtwache Christa
06h00-09h00 Morgenwache Simi
09h00 gemeinsames Frühstück (Müsli/Brot/Porridge/Pancakes/Rührei)
09h30-12h00 Morgenwache Christa
13h00 gemeinsamer Mittagslunch (Salate/Reste/Brot/Früchte)
13h00-18h00 gemeinsame Zeit an Deck, diverse Arbeiten, Segelmanöver
18h00-19h00 Kochen und Nachtessen, warme Mahlzeit des Tages, Abwasch
19h00-20h30 Kurzwache Simi
20h30-22h00 Kurzwache Christa

Reff- und andere Segelmanöver legen wir - wann immer möglich - auf die Wachwechsel. Wenn schnelleres Handeln nötig ist, muss die Freiwache dranglauben und an Deck!
Die Hauptaufgaben der Wache sind Ausguck, Navigation, Schiffstrimm und Logbuchführung. Seit Holland sahen wir in jeder Nacht andere Schiffe! Heutzutage tummeln sich recht viele Fahrzeuge auf den Weltmeeren, viele davon sind Treibnetzfischer. Sie schleppen kilometerlange Netze hinter sich her und sind eine starke Bedrohung für die weltweiten Fischbestände. Da wir recht klein und darum relativ dürftig beleuchtet sind, müssen wir schon selbst auf uns aufpassen, um nicht plötzlich von so einem Monster über den Haufen gefahren zu werden.

Wenn ich so vier Stunden mit Schiff und Nacht alleine bin, wird es oft recht persönlich. Ich habe Zeit nachzudenken. Mehr Zeit, als im 'normalen' Leben dafür übrig ist. Ich komme mit mir ins Reine, oder auch nicht. Hadere mit getroffenen Entscheidungen oder bereue Aussagen, die ich vor vielen Jahren an die Liebsten geäussert habe. Meist aber segle ich einfach glücklich und zufrieden unter dem Sternenzelt hinweg, voll von spannenden Zukunftsplänen, und zähle die abgespulten Meilen. Je nachdem. Die Nachtwachen sind jedenfalls viel mehr als nur verpasster Schlaf oder ein Muss für die Sicherheit. Man hört Delphine atmen, die das Schiff begleiten. Oft zieht die MON AMIE eine Leuchtspur durch das Meer, welche von phosphoreszierendem Plankton hervorgerufen wird. Diese Meeresfunken können derart stark sein, dass sie die Segel hell erleuchten!

Christa liebt auch die ganz mondlosen Nächte. Wenn die ganze Welt tiefschwarz ist und nur die Sterne sich klar am Himmel abzeichnen. Sie fühlt sich in dieser Dunkelheit sehr geborgen. Ich selbst ziehe mondhell erleuchtete Nächte bei weitem vor. Die komplett schwarzen, bewölkten Nächte ängstigen mich eher.

Die Zeit zwischen den Rundumblicken auf Nachtwache vertreiben wir uns mit Träumen, Lesen, Musik aus dem Kopfhörer, Tee und Kaffee. Christa schreibt zudem oft an ihren allgegenwärtigen Einkaufslisten, Schiffsarbeitslisten und Planungslisten aller Art. Dazu die permanenten Kontrollblicke auf die Segel, den Horizont, Kompass, Speedo- und Barometer. Schliesslich Eintragungen auf Seekarte und im Logbuch.
Zehn Minuten vor Wachwechsel ist Weckzeit! Meist quälen wir uns müde aus der Koje und sind empört, bereits nach einer halben Stunde geweckt zu werden! Doch nein, schon sind die heissbegehrten vier Schlafstunden aufgebraucht und es heisst sanft: „Du bist dran“. Doch schon nach wenigen Minuten sind wir hellwach und bereit zur Wachübernahme. Bereit für eine weitere Wache in harmonischer Einsamkeit inmitten des Ozeans. Alleine mit seinen Gedanken, Empfindungen und Geschichten.

Die schönste Zeit des ganzen Tages ist der späte Nachmittag. Dann sind wir üblicherweise beide wach und sitzen zusammen im Cockpit. Die Hitze des Tages lässt allmählich nach. Zeit für unsere (fast) alltägliche Dusche: wir hieven etliche Kübel Meerwasser hoch und begiessen uns gegenseitig. Shampoo, Duschgel, abspülen, abtrocknen. So bleiben auch keinerlei kratzende Salzreste auf der Haut zurück. Danach sitzen wir bis zum Abendessen bei einem (alkoholfreien) 'Sundowner' draussen und philosophieren zusammen über Erlebtes, erzählen einander Geschichten von früher, diskutieren Eindrücke unserer Reise oder spinnen Zukunftspläne.

In der 22. Nacht auf See drosseln wir unseren Speed, denn die kenyanische Küste ist erreicht! Doch wollen wir nicht nachts in den Naturhafen von Lamu einlaufen. Wir sind gespannt und aufgeregt. Das Echolot liefert zum ersten Mal seit drei Wochen wieder einen Wert. Es riecht nach Land und Seegras. Zwei Vögel ruhen sich auf unserem Heck aus und dümpeln mit uns gemächlich dem Tageslicht entgegen. Dann kommt die Sonne. „Land in Sicht“!!!, so reisst mich Christa dieses eine Mal eher unsanft aus meiner Nachtruhe. Wir jubeln und freuen uns! Nun geben wir der MON AMIE nochmals die Zügel und reffen aus. Eine Schule von mindestens hundert Delphinen begleitet uns die letzten Seemeilen bis zur Einfahrt nach Lamu. Wir geniessen die freudige Begleitung und sehen dies als gutes Zeichen. In der engen Riffeinfahrt heisst uns dann eine einheimische Dhau willkommen: „Karibu Kenya“!
Wir sind angekommen.

Als Erstes hauen wir eine stattliche Pfanne Rührei und eine Kanne Kaffee rein. Noch sind wir etwas benommen von den plötzlich fehlenden Bootsbewegungen. Dann zwänge ich mich in Schuhe, Hemd und lange Hosen und rudere mit dem Beiboot an Land zum Einklarieren. Einwanderungsbehörde, Zollamt, Hafenbehörde und Gesundheitsamt sind die üblichen Stationen. Wir kriegen reibungslos ein Visum für 3 Monate und werden unkompliziert in Kenya einklariert. Man merkt aber auch schnell, dass wir uns doch etwas abseits der Weltumseglerpfade befinden. Der Zöllner sucht recht nervös und etwas überfordert nach dem richtigen Formular für einreisende Segelyachten!

Nach einer wundervollen Süsswasserdusche an Land geniessen wir zum Sundowner eiskaltes 'Tusker', das wohlschmeckende kenyanische Bier. Wir sitzen auf einer herrlichen Terrasse am Strand, die MON AMIE liegt vor unseren Augen ruhig vor Anker, und wir begiessen unsere erfolgreiche und zügige Überfahrt. Irgendwann fallen wir wie tot in unsere Kojen und erwachen erst vierzehn Stunden später wieder!

Lamu ist für uns im Gegensatz zu Djibouti wie eine Erleichterung! Unsere Augen werden pausenlos verwöhnt. Bilder wie aus einer anderen Zeit. Lamu ist seit je her Seefahrerhafen. Station auf den Handelswegen zwischen Arabien, Persien, Indien und Ostafrika. Der Monsunjahreszeit angepasst segeln die Dhaus Ladung nach Norden oder entsprechend nach Süden. Lamu ist Kenyas älteste Stadt, wo traditionelle Suahilikultur und -architektur in den letzten 500 Jahren praktisch unverändert blieb!

Der islamistische Einfluss ist in Lamu am konzentriertesten von ganz Kenya und allgegenwärtig. Auch heute noch wird der ganze Warentransport mit Mauleseln und den Dhaus bewältigt. Die meisten traditionellen Dhaus werden ausschliesslich gesegelt und haben keine Motorhilfe.
Die Leute sind sehr freundlich, der Tourismus ganz sanft und spärlich. Keine Bettelei, keine aufdringlichen Händler. Nur hie und da echtes Interesse über woher und wohin. Und stets: „Karibu Lamu“, willkommen!

Wir streunen durch die Stadt, staunen über die alten Gebäude und fühlen uns wohl. Ein frischer Fruchtsaft hier, ein kaltes Bier im lauschigen Plätzchen da. Nach den horrenden Preisen in Djibouti tut es gut, sich mal wieder etwas leisten zu können. Wir leisten, geniessen und schwelgen, ohne dass die Bordkasse meckert!

Lamu ist wirklich irgendwie anders, was folgendes Ereignis zeigt. Eines Morgens sitzen wir bei Kaffee im Cockpit, als es am Bug urplötzlich fürchterlich rumpelt und knallt! Vorstagbruch? Ankerkette gerissen? Wir laufen nach vorne und trauen unseren Augen nicht: da liegt ein kapitaler Kingfisch auf unserem Deck, schlägt wild herum und spuckt teils noch lebendige Sardinen aus seinem Maul. Während seiner wilden Jagd muss er hoch aus dem Wasser gesprungen sein. Zu seinem Pech lag da gerade die MON AMIE in der Sprungschneise! Einen fassungslosen Moment stehen wir wie versteinert da. Das gibt’s doch nicht! Dann schnell die gewohnten Handgriffe. Der Fisch wird von seinen Leiden erlöst und gleich 'taufrisch' filetiert. Das geplante Tagesprogramm fällt heute aus. Für den Rest des Tages werden Einweckgläser und –topf rausgekramt und Fisch eingekocht bis uns die Ohren wackeln. Diese äusserst wohlschmeckende und proteinreiche Nahrungsquelle lassen wir uns natürlich nicht entgehen und der Fisch wird von uns wie immer vollständig verwertet. Das heisst, wir fischen ohnehin immer nur dann, wenn wir auch fit genug sind, den Rest des Fisches einzukochen. Und dieser Rest ist normalerweise der viel grössere Teil, da wir ja nur zu zweit sind. Denn Fisch fangen, ein Stück für das Nachtessen rausschneiden und den Fisch respektlos ins Meer zurückschmeissen gibt es bei uns nicht. Wir leben auf dem Meer und ernähren uns auch zu einem nicht geringen Teil davon. Aber immer auf eine bewusste, natürliche und für beide Seiten ausgewogene Art.
Und heute war fischen nicht einmal nötig! Wir werden ans Schlaraffenland erinnert. Die Früchte wachsen einem in den Mund und der Fisch springt von selber an Deck! Unser Fischbedarf ist jedenfalls wieder für eine zeitlang aufgestockt und die Story geht in Windeseile durch ganz Lamu und erzeugt noch Tage später Erstaunen und Gelächter! 'Diesen jungen Schweizern da auf dem Segelboot springt ein meterlanger Kingfisch einfach aufs Deck'!

Kenya soll jetzt für viele Wochen unser Revier sein. Bald segeln wir südwärts die Küste hinunter, wo wir langjährige Freunde treffen werden, die im Süden des Landes Schnorchel- und Tauchausflüge betreiben. Sie leben auf einer Insel. Auf Wasini-Island, in einem kleinen Paradies im Shimoni Marine Park. Wir waren früher schon oft da bei ihnen, doch stets per Flugzeug, wo man in wenigen Stunden in eine andere Welt und Klimazone katapultiert wird.

Doch dieses Mal wird es anders sein. Wir kommen selber, aus eigener Kraft, und von weit her. Also werden wir dieses Mal auch länger bleiben!

 
 
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