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Weltumsegler:
Simi Züger und Christa Scheidegger
Vom Bielersee
auf die Weltmeere
«Der
Bielersee, das ist für mich Heimat», sagt Christa Scheidegger
spontan und Simi Züger: «Auf dem Bielersee habe ich all das
gelernt, was ich kann.» Was beide können, ist segeln und was
beide wollen, ist segeln. «Es war schon früh mein Traum, die
Welt zu umsegeln», sagt die knapp 30-jährige Emmentalerin.
Das war auch Simis Bubentraum, dem das Segelvirus in frühester Jugend
von einem Onkel eingepflanzt worden ist - unwiderruflich. Der 29-jährige
hat auf dem Weg zum Profiskipper an der Uni Basel Meteorologie studiert.
*
In Martinique haben die beiden sich kennen gelernt - beim Segeln versteht
sich. Seit dreieinhalb Jahren sind sie zusammen. Gemeinsam wird der Traum
von der Weltumsegelung jetzt Realität. Vom Barkenhafen in Nidau geht
es direkt nach Holland auf die mon amie. «Seit wir sie
haben, ist sie nicht einfach ein Schiff, sondern unsere mon amie,
unser Zuhause für die nächsten paar Jahre», sagt Christa.
«Wir haben lange gesucht, letzten September haben wir sie gefunden,
per Inserat», so Simi und «Seither geht es Schlag auf Schlag,
wir haben die «mon amie» gekauft, den Job gekündigt und
schliesslich die Wohnung aufgelöst.»
*
Blauäugige Blauwasserfahrer, die von karibischen Sonnenuntergängen
und Südseeromantik träumen? Oder waghalsige Binnenländer,
die ihren Mut mit einer Kap-Hoorn-Umrundung beweisen wollen? Mitnichten.
Beide waren bei der Segelschule Bielersee Segelinstruktoren, haben zigtausend
Seemeilen und mehrere Atlantiküberquerungen hinter sich. Als Skipper
auf dem Meer haben sie die Verantwortung für Schiff und Crew wahrgenommen.
Christa hat zwar keinen Autoführerausweis, dafür alle Segelscheine.
Simi kennt sich als Meteorologe mit dem Wetter bestens aus. Und: «Wir
sind ein ebenbürtiges Team, jeder von uns kann alle Aufgaben übernehmen,
das ist für mich ganz wichtig», sagt Christa.
*
Es gilt Abschied nehmen. Überall, auch im Barkenhafen, kommen Kollegen
von der Segelschule vorbei, wünschen Mast- und Schotbruch. Ein letzter
Blick auf den sturmgepeitschten Bielersee. «Hier haben wir Heimvorteil,
hier kennen wir jede Ecke», sagt Simi und Christa erinnert sich:
«Wenn eine Kaltfront im Anzug ist und man die Insel nicht mehr sieht,
heisst es ab in einen Fluchthafen, denn schon zehn Minuten später
ist die Front da.» Von der Familie und den engsten Freunden ist
es eigentlich kein Abschied. «Wir bleiben in Kontakt, mit Email,
Flugzeug, Telefon ist die Welt zusammengerückt», so Simi, und
Christa: «Einige werden uns besuchen, nur meinen zweijährigen
Göttibub, den werde ich vermissen».
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«Die Zeit des Nachdenkens ist vorbei, jetzt geht es los, wir haben
unendlich viel zu tun. Wir haben für alles Listen erstellt»,
lacht Christa. Eine Bordapotheke ist zusammengestellt, der Besuch beim
Zahnarzt, Augenarzt, Hausarzt vorbei. Werkzeug, Bücher, Kleider,
der ganze Haushalt ist auf der «mon amie» verstaut. Sie haben
viele Bücher, vor allem nautische dabei, und nebst dem obligaten
Logbuch führt Christa ein persönliches Tagebuch und Simi möchte
ein Buch über das Leben an Bord schreiben.
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Auf der «mon amie» am Jisselmeer in Holland werden in den
nächsten Wochen die letzten Arbeiten getätigt. Die «mon
amie» ist eine zwölfjährige, 16 Tonnenschwere Stahljacht.
Sie ist mit allem notwendigen, aber nicht zuviel Elektronik ausgerüstet.
«Wir navigieren, wenn möglich terrestrisch und wollen auch
unsere Astronavigation perfektionieren.» Der GPS (Global Position
System) ist als Sicherheit dabei. An Bord hat es alles, was es braucht,
vom Backofen über den Kühlschrank bis zur Heizung. Je 600 Liter
Wasser und Diesel können gebunkert werden. Ein Grosssegel und verschiedene
Vorsegel bis hin zur Sturmfock sind der «Motor» des Bootes.
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Endgültig «Leinen los» heisst es Ende Mai, wenn die Winterstürme
nicht mehr über die Biskaya toben. Die Routenwahl berücksichtigt
Jahreszeiten, Klima und Windverhältnisse. Von Holland führt
die Reise ins Mittelmeer, durchs Rote Meer, entlang der Ostküste
Afrikas, ums Kap der Guten Hoffnung, über den Atlantik in die Karibik,
weiter entlang Südamerikas Westküste, um Kap Hoorn, und über
den Pazifik nach Australien, dann durch den Indischen Ozean wieder ins
Rote Meer, Mittelmeer und schliesslich nach Hause. «Wir haben aufgrund
der Wetterverhältnisse einen Jahresplan, lassen aber grundsätzlich
offen, wo wir wie lange bleiben», sagt Simi.
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«Wahnsinn, das möchte ich auch», sind Reaktionen, die
die beiden Weltumsegler im ersten Moment oft erleben. Aber wer möchte
es wirklich? Simi glaubt, dass es die Angst vor dem unkonventionellen
Leben sei, dass eine Weltumsegelung für viele ein Traum bleibe, den
sie gar nicht verwirklichen wollen. Dann sei es aber auch eine Charakterfrage,
es brauche Eigenständigkeit, Verantwortung, Erfahrung, Ausbildung
und physische und psychische Gesundheit, ergänzen die beiden die
Liste. Der Neid weicht Bewunderung und - Respekt.
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Was macht es aus, dass gerade Simi und Christa den Schritt wagen? «Wir
wollen es wirklich, wir haben die Erfahrung und die Kraft dafür,
und wir haben den richtigen Partner gefunden», sind sie sich einig.
Worauf freuen sie sich am meisten? Die Antwort kommt rasch: Auf die Überfahrt
von Kapstadt nach Martinique. Das sind bei günstigen Winden sechs
bis acht Wochen Vorwindkurs, ein Wellenritt ohne Land in Sicht, mit Wachablösung
alle vier Stunden, und mit einsamen Nächten, in denen die Sehnsucht
aller Segler auf allen Weltmeeren gestillt wird.
Barbara Siegrist
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