Heute schon gesegelt? www.zueger-yachting.ch
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Schwimmendes Zuhause. Christa
Scheidegger und Simi Züger auf ihrer «Mon Amie».
Auf deren harte Schale (und weitere positiven Eigenschaften) werden
sie sich in den nächsten paar Jahren verlassen können. Foto
Byline |
Der
Traum vom (fast) freien, zeitlosen Reisen
Der Traum von Christa Scheidegger, Seglerin, und Simi Züger,
Segler und Christas Lebenspartner, ist ein für Segler nicht allzu
aussergewöhnlicher; aussergewöhnlich ist, dass sie ihn verwirklichen,
und zwar im vergleichsweise jugendlichen Alter von knapp unter 30:
Das Paar geht in diesen Tagen von Holland aus auf Weltreise, unter
Segeln natürlich. Und plant noch nicht die Rückkehr.
Gehen, weggehen, fortgehen; nicht grad ziellos, aber ohne festen Plan.
Irgendwann mal dann schon wieder zurückkommen. Aber erst, wenns
Zeit ist. Reisen, verreisen, aufbrechen; Wunsch, Traum, Sehnsucht,
uralt, immer da, stärker als alle Wurzeln und weitweit weg vom
simplen «Recht auf freie Fahrt». Man muss es nur wollen,
man muss es nur tun. Wir berichten von zweien, die es wollen und die
es tun.
Den Anker lichten, auslaufen - Begriffe aus der Seglersprache, die
in die Alltagssprache gesickert sind. Christa Scheidegger und Simi
Züger nehmen die Begriffe noch wörtlich: Am kommenden Montag
lichten sie in Holland den Anker und laufen aus; sie gehen auf Reise,
vier Jahre sind vorgesehen, vielleicht werden es mehr, auf Weltreise
also. Genau genommen gehen sie zu dritt. Die Dritte heisst «Mon
Amie» und ist ein etwa 14 Meter langer Einmaster aus Stahl.
Diese «Dritte» ist nicht ein fünftes Rad am Wagen
und steht nirgendwo dazwischen, die Dritte ist viel mehr die, die
verbindet. Erst recht verbindet. |
Simi Züger
und Christa Scheidegger waren beide Segler, haben zwar andere Berufe erlernt
und studiert, haben aber beide das Hobby zum Beruf gemacht und in der Segelbranche
gearbeitet, haben sich beim Segeln kennen gelernt, sind seit einiger Zeit
als Paar gemeinsam auf Kurs, hatten beide für sich irgendwo den konkreten
Traum angelegt, «es» zu tun, hatten irgendwann einander den
Traum gestanden, hatten den nun gemeinsamen Traum reifen lassen und schliesslich
bei einem nächtlichen (Land-)Spaziergang entschieden: Wir tun «es».
Nun also machen sie den Beruf wieder zum Hobby. Die Wohnung ist längst
abgegeben, die Möbel sind in Basel eingestellt.
Simi Züger und Christa Scheidegger sind nicht die Ersten, die die Welt
umsegeln; aber sie tun es aussergewöhnlich früh, mit 30 Jahren,
nicht mit 60, wenn das Konto prall ist. «Der Wunsch, es zu tun, ist
jetzt da», sagt Simi (oder sagt es Christa? Egal - was dieses Projekt
betrifft, scheinen sich nicht zwei Individuen zu äussern, sondern eine
«Mannschaft»). Sie wollen den Traum nicht so lange träumen
müssen; und sie fragen sich auch: Wie wird die Welt in 20, 30 Jahren
aussehen? Wird sie nicht noch viel dichter vernetzt sein und noch weniger
freie Räume bieten als heute? Und würden die meteorologisch-klimatischen
Verhältnisse und die übrigen Umweltbedingungen etwa des Jahres
2030 eine solche Reise überhaupt noch zulassen?
Trotz des vergleichsweise jugendlichen Alters halten sich die beiden Segelprofis
für kompetent genug, die Reise zu tun; «so rasch ein Segelkürslein,
das reicht natürlich schon nicht», sagen sie. Aber auch: «Je
mehr Wissen wir uns angeeignet haben, desto klarer stellen wir auch fest,
wie vieles wir nicht wissen.»
Wohin
der Wunsch geht
Simi Züger
und Christa Scheidegger werden ein Stück weit als Reisende unterwegs
sein; freuen sich darauf, neue Küsten, Kulturen, Landschaften, Länder
und Leute kennen zu lernen. Aber dies nur zweitens. Ein anderer Sog ist
stärker: Die beiden sind vor allem als Seglerin und Segler unterwegs.
Das sind die Reize, die sie von hier weglocken: die Ansprüche, die
die Weltumsegelung stellt; ein Schiff zu betreuen, zu pflegen, am Laufen
zu halten; sich der Natur auszusetzen; sich aufs Wesentliche zu beschränken;
keinen fremden Einflüssen unterworfen sein; ein eigenverantwortliches
Leben zu leben; niemandem eine Schuld für gar nichts geben zu können;
sich treiben lassen können, die Freiheit zu haben, Pläne über
den Haufen zu werfen; sich nicht krank schreiben lassen zu können;
ein Leben ohne doppelten Boden, ein insgesamt dichteres Leben zu leben,
in dem das strenge strenger, das schöne aber auch schöner empfunden
wird.
Woher
das Schiff kommt
Mit dem Entschluss,
die Fahrt zu machen, beginnt sie auch schon - auf dem Trockenen zwar und
mit viel «trockener» Arbeit: Es fehlt ja noch das Schiff,
und die Suche nach dem geeigneten und gleichzeitig bezahlbaren Schiff
ist schon das erste Abenteuer, denn noch darf ja die ganze Entourage nichts
wissen: Erst wenn der Entscheid zum Kauf des Schiffs gefallen ist, können
Simi Züger und Christa Scheidegger am Arbeitsplatz, in der Familie,
im Bekanntenkreis mitteilen, dass sie «es» tun. Das geschah
im September 2001.
Ein strikter Katalog von Erfordernissen hat letztlich zum richtigen Schiff
geführt; es war in einer Yachtzeitschrift ausgeschrieben. Ein Zimmermann
aus Deutschland hatte das Schiff innen ausgebaut, es ist zehn Jahre alt,
nicht müde gesegelt, es hat auch noch nicht viel Sonne erdulden müssen,
war im Moment des Kaufentscheids zwar noch nicht langstreckentauglich
ausgerüstet, war aber in gutem Zustand, hatte die richtige Grösse,
lag im Budget und hiess «Mon Amie». Es heisst immer noch so:
Christa und Simi sahen keinen Grund, das Schiff umzutaufen; ein guter
Name, fanden sie, zutreffend, sympathisch, und «Mon Amie»
verstehe man fast auf der ganzen Welt. Einzig die harte Schale passt nicht
recht zum Namen; der Rumpf ist nämlich aus Stahl - für die Weltumsegler
einer der wichtigsten Punkte, denn eine Kollision könnte fatal sein,
eine Kollision etwa mit einem verloren gegangenen Container, einem vor
der Amazonasmündung treibenden Baum oder einem Wal. Robustheit ist
auch im Innenleben gefragt; an Elektronik kommt wenig mit, sie wäre
zu anfällig auf Erschütterung, auf Kontakt mit Wasser und salziger
Luft und könnte zudem nicht an Bord repariert werden. Sozusagen das
Herzstück (neben Mast und Segelgarderobe) wird ein Dieselgenerator
sein fürs Licht, die Positionslampen, der Kühlschrank, der Funk,
Echolot, Geschwindigkeitsmesser und CD-Player. «Dass wir auf manches
andere verzichten, etwa TV und Video, empfinden wir keineswegs als Verzicht;
der einzige grössere Luxus, den wir uns leisten, sind die 250 mitgeführten
CDs und die Bootsgrösse: Wir haben eine zweite Kabine, sodass uns
auf der einen oder andern Etappe mal auch Freunde begleiten können.»
Wohin
der Wind weht
Gehen, weggehn,
fortgehn - natürlich nicht planlos und schon gar nicht irgendwann
und irgendwohin, aber auch nicht nach unverrückbarem Fahrplan: die
Qualitäten des (fast) zeitlosen, freien Unterwegsseins dürfen
ja nicht verweht werden. Ende Mai muss es losgehn, denn dann sind (im
Normalfall) die Frühjahrsstürme vorbei, und ab Juni sind stabile
Wetterlagen zu erwarten. Und von da an sind längs der vorgesehenen
Route viele Horizonte offen (sofern man dieses falsche Bild überhaupt
bemühen will); vorgesehen ist dieser «Weg»: Von Lemmer
am (holländischen) Ijsselmeer, wo die «Mon Amie» ihre
letzten Schliffe erhalten hat, in die Nordsee, Gibraltar, Mittelmeer,
Rotes Meer, Kenya, Madagaskar, Kap der Guten Hoffnung, Karibik, Venezuela,
Kap Hoorn, Südsee, Australien, Indonesien und durch den Indischen
Ozean zum Roten Meer und ins Mittelmeer zurück; mindestens drei Jahre
wirds wohl dauern, eher vier, vielleicht auch fünf - je nachdem,
welche Horizonte sich noch öffnen.
Woher
Gefahren kommen
Tage- und
nächtelange Stürme? Zwölf Meter hohe Wellen? Abmasten?
Ein Eisberg? Ein Überfall auf hoher See oder im «sicheren»
Hafen? Ein Loch im Rumpf? Natürlich machen sich Weltumsegler Gedanken
um die wenigen Quadrat- und Kubikmeter, die ihre Welt sein und von der
ihr Wohl ein paar Jahre lang abhängen wird. Aber Angst?
«Das so genannt normale Leben ist ja auch nicht ohne Gefahren»,
sagt Simi, «und diese Gefahren lassen wir zurück; die Risiken,
die wir eingehen, sind unkonventionell, etwa eine Blinddarmentzündung
- und wir sind zehn, vierzehn Tage von einem Spital entfernt.» Was
weiter? «Vergammeln - ja, man hört immer wieder von Weltumseglern,
die irgendwo hängen bleiben, stranden, nicht weiterkommen, nicht
weiterwissen, eben vergammeln; die Gefahr sehe ich für uns nicht.
Es gibt nichts, was uns in den nächsten drei, vier Jahren so beschäftigen
und fordern könnte wie unsere Reise, unser Projekt; es gibt nichts,
das uns ablenken könnte. Und ich sehe auch nicht, dass die Kontakte
nach zu Hause abbrechen könnten, sie werden sich allenfalls verändern.»
Etwas zumindest bleibt über die nächsten paar Jahre konstant:
der Heimathafen der «Mon Amie» wird, egal wo sie grad dümpelt,
kreuzt, stampft oder surft, ihr Heimathafen wird der sein, der er ist,
seit Christa Scheidegger und Simi Züger das Schiff erworben haben:
Basel.
http://www.segelnumdiewelt.ch
Von Freddy Widmer
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