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Rund Afrika!
Lagos - Gibraltar - Almerimar - Alicante - Palamós - Port-Saint-Louis-du-Rhône
Wir sind vor beinahe fünf Jahren in Holland losgesegelt und nun in Südfrankreich angekommen.
Unser kleiner Kuscheltörn führte aber weder durch die europäischen Kanäle noch direkt via Biskaya, sondern rund um den Kontinent Afrika!
Wir haben 25'000 Seemeilen im Kielwasser und sind zwei Mal, im Abstand von vier Jahren, in Gibraltar eingelaufen.
Wir haben viele Kaps, Ecken und Kanten umsegelt. Zum Beispiel den Starter Point in England, die Ile d'Ouessant in Frankreich, das Kap Finisterre in Spanien, das Kap Saõ Vicente in Portugal, die Strasse von Gibraltar, die Strasse von Messina, den Suezkanal, Bab el Mandeb, Sokotra und das Horn von Afrika, Cape Mpungutiyajuu in Kenia, Cabo das Correntes in Moçambique, Kap Agulhas, Kap der Guten Hoffnung, Punta de Saõ Antonio, Salvador, Cap Vert (Senegal), Cap Blanc (Mauretanien), Punta Becerro (La Gomera), und schliesslich erneut die Strasse von Gibraltar.
Heute laufen wir wieder von Westen kommend in Gibraltar ein, doch trotzdem ist vieles anders als vor vier Jahren. Der offensichtlichste Unterschied zu damals wiegt zwölf Kilogramm und ist 16 Monate alt. Er hat blonde Haare und quietscht an der Reeling vergnügt den Delphinen nach, die uns in die Bucht von Gibraltar hinein begleiten: unser Sohn Lenny Lee.
Auch unsere treue MON AMIE hat sich verändert. Sie selbst ist nun bewährt und erfahren, und wir haben sie von ein paar Kinderkrankheiten befreit. Wir können uns auf sie verlassen. Sie schaut gut zu uns und wir schauen gut zu ihr. Schiffe können eine Seele haben, MON AMIE hat ganz sicher eine.
Und wir beide, Christa und ich? Haben wir uns verändert? Sind wir nun auch bewährt und erfahren?
Ganz sicher hat uns die Reise geprägt. Sie hat uns stärker und geduldiger gemacht, wir haben ganz andere Kulturen kennen, und auch etwas verstehen, gelernt; wir haben viele seglerische Erkenntnisse gewonnen und haben über uns erfahren, dass wir überall zu Recht kommen können. Wir haben auch einander sehr gut kennen gelernt und können uns blind auf einander verlassen. Unsere Sinne für allfällige Gefahren sind geschärft, und ein Blick genügt um zu wissen was Sache ist. Wir sind nun verlobt, ein Paar und ein Team. Ein tolles Team! Hoffentlich hält es für immer.
Wohl sind wir auch erfahrener, doch Segeln und Hochsee-Segeln sind eine vielschichtige Sache. Wir haben enorm viel dazugelernt, aber es gibt immer noch viel zu lernen. Wir sind noch jung.
Es regnet in Strömen. Kalt ist es geworden, jedenfalls für uns. Obwohl wir die Äquatorwärme noch in den Knochen haben, können uns die dicken Kleider nicht so recht wärmen. Die Nacht bricht herein und die Sichtweite verringert sich weiter. Viel Verkehr herrscht hier in der Bahia de Algeciras, der Bucht von Gibraltar. Wir steuern um Tanker, die vor Reede liegen, und suchen die Lichter zum Yachthafen. Wir könnten das Handbuch heraufholen, doch wir wollen uns erinnern und den Weg selber finden.
Selbst um zehn Uhr nachts ist das Hafenbüro noch über Funk erreichbar. Freundlich wird uns ein Platz zugewiesen und trotz Regen werden uns die Leinen entgegengenommen. Wir sind im Mittelmeer!
Zum ersten Mal seit Kapstadt haben wir das Gefühl es geschafft zu haben. Von hier aus können wir die MON AMIE "irgendwo" über Winter stehen lassen und "irgendwie" über Land nach Hause gehen. Oft auf unserer Reise, in Djibuti etwa oder in Sansibar oder auch mitten auf dem Südatlantik, war die Schweiz eine unerreichbare Halluzination. Dieses Gefühl bedeutet wirklich "auf Reisen" zu sein; wenn man nicht einfach kurzerhand mit Sack und Pack ins nächste Flugzeug steigen kann. Obwohl die Welt auch für den Blauwasser-Segler geschrumpft ist, ist sie, gerade für ihn, immer noch gleich gross wie vor hundert Jahren. Das macht Segeln dermassen zum Abenteuer. Das macht Segeln so grossartig! Und manchmal auch schwierig, wenn man allein ist mit den Elementen, weitab jeglichen Landes. Auch ich wollte in den letzten 20 Jahren die Segelei ab und zu verfluchen. Aber noch viel mehr möchte ich leben, und spüren, dass ich lebe! Und wo geht dies besser als auf einem Segelboot das sich sanft auf die Seite legt und durch die Wellen pflügt? Wo einem der Wind den Kopf befreit und man im wahrsten Sinn des Wortes an der frischen Luft ist? Wo man sich am Sonntagnachmittag auf dem See vergnügen kann oder auf grosser Fahrt andere Kontinente ersegeln kann?
Wir propagieren gerne das Segeln. Es ist überall für jedermann möglich und egal wo und womit man unterwegs ist: beim Segeln passiert immer etwas, es ist nie langweilig. Es macht Spass und ist gesund, es ist vielschichtig, zugänglich im Alter von 0-100, fordert einen in jeder Art und ist zudem umweltfreundlich.
Es ist nun Dezember, die Saison im Mittelmeer ist längst zu Ende. Wir treffen kaum noch andere Fahrtenyachten. Das spielt keine Rolle, denn wir haben genug mit uns selbst zu tun und sind nun wirklich auf dem Heimweg. Wollten wir erst Italien zur Überwinterung ansteuern, so laufen wir nun Südfrankreich entgegen. Ein günstiger Tipp von Freunden heisst Port-Saint-Louis-du-Rhône. Wir segeln über Etappenhäfen, die Almerimar, Alicante und Palamós heissen dem Golf du Lion entgegen.
Vor dem allerletzten Schlag unserer grossen Reise haben wir dann auch noch einmal den nötigen Respekt. Über 5% Sturmhäufigkeit herrscht hier diesen Monat, das ist ziemlich hoch. Mistral heisst das Schlagwort. Wir schnappen uns ein gutes Wetterfenster und huschen über den Löwengolf Richtung Marseille.
Es sind unsere letzten 24 Stunden Fahrt dieser Reise auf der MON AMIE.
Bewusst gehen wir zum letzten Mal auf Nachtwache. Christa wird mit einem mondlosen klaren Sternenhimmel verabschiedet. Es spuckt nur so Sternschnuppen, und obwohl wir nicht immer nur Glück hatten, so fühlen wir doch genau, dass unsere Reise schlussendlich unter einem guten Stern stand. Wir staunen im Nachhinein manchmal selber, dass wir uns aus den diversen auswegarmen Situationen immer wieder befreien und weitersegeln konnten.
Wüstenstürme im Roten Meer, Vorstagbruch vor Mauretanien, ein Einbrecher an Bord in Djibuti, Blitzeinschlag im Mast in Kenia, Rettung eines Schiffbrüchigen in Tansania, Ruderbruch in der Strasse von Moçambique, Motortotalschaden, Kollision mit einem Wal am Kap der Guten Hoffnung, Bruch der Selbsteueranlage mitten im Südatlantik und vieles mehr haben wir erlebt. Manches dieser Abenteuer hängt eng mit der unkonventionellen Segelroute zusammen, denn die unausgetretenen Segelpfade in Ostafrika gehören nicht umsonst ganz selten zu den bevorzugten Revieren für Fahrtensegler. Und Bruch gibt es beim Segeln immer. Je mehr und je abgelegener man segelt, desto mehr Bruch gibt es. Wir haben den einen oder anderen Schlag eingesteckt, doch es gab immer einen Ausweg. Wir waren manchmal fast rat-, aber nie tatenlos.
Morgens um vier Uhr sehen wir die Leuchtfeuer vom Golf de Fos. Der kalte Ostwind nimmt in Landnähe etwas zu, und zum letzten Mal binde ich ein Reff ins Grosssegel. Ich tue es bedächtig, langsam fast. Wie oft wohl haben wir gerefft auf unserem Törn rund Afrika? Viele Male. Und noch viel öfter haben wir am Reffen herumüberlegt.
Im Zufahrtskanal zur Rhone kommen wir in den Windschatten. Wir bergen die Segel, werfen den Motor an und hissen alle Flaggen der Länder die wir besucht haben: Holland, Belgien, England, Spanien, Portugal, Gibraltar, Italien, Griechenland, Ägypten, Sudan, Eritrea, Djibuti, Kenia, Tansania, Sansibar, Südafrika und Brasilien. Und natürlich die Q-Flagge.
Und ja - wir haben unseren grossen Törn beendet!!!
Und was ist es nun für ein Gefühl für uns? Damals beim Auslaufen in Holland, anfangs 2002, waren wir sicher enthusiastischer und gespannter, aufgeregter und auch unwissender. Heute sind wir einfach glücklich und froh, dass wir es geschafft haben. Dass wir mit der MON AMIE einen runden Törn bis nach Hause fahren konnten und weder uns beiden, noch Lenny, noch der MON AMIE etwas passiert ist. Manchmal sind wir sogar froh, dass wir noch leben, denn Gefahren gab es genug. Und trotzdem war es nie so richtig gefährlich.
Wir haben uns unseren Traum vom (fast) freien und zeitlosen Leben unter weissen Segeln erfüllt. Oft war der Traum schöner als die Wirklichkeit, und ein paar Mal war das Erlebte sogar noch schöner als der Traum. Vieles hat unsere Erwartungen übertroffen, aber auch so manches haben wir in diesen vier Jahren und zehn Monaten nicht gefunden. Alles in allem sind wir erleichtert und im Rückblick auch ein wenig stolz.
Wir haben eine ungewöhnliche Reise und eine ungewöhnliche Route hinter uns. Vielleicht sind sogar viele der Abenteuer, die wir erlebt haben, ungewöhnlich. Aber ob ungewöhnlich oder nicht spielt auch gar keine Rolle, denn für uns persönlich ist unsere Reise extrem ungewöhnlich.
Wir haben schon Verschiedenes im Leben vor dieser Reise gemacht, vieles davon auch unter Segeln. Doch nichts war so aufreibend, so streng und so schwierig wie dieser Törn rund Afrika. Aber auch nichts war dermassen intensiv, und derart unerhört abenteuerlich - wir werden vielleicht noch in Jahren nach Luft schnappen, wenn wir nur daran denken. Und wir werden unser Leben lang darauf zurückblicken, denn dies waren unsere bisher verrücktesten Jahre!
Die Erinnerung an diese Tour wird immer bleiben, doch das ist nur das Zweitbeste. Das Beste am Ganzen ist nämlich, dass Christa und ich dies alles zusammen erlebt haben, und dass wir nun mit Lenny als Familie zurückkehren.
Jetzt liegt eine Zukunft in der Schweiz vor uns, auf die wir uns sehr freuen. Und wir können die gleichen Worte wie beim Auslaufen damals benützen:
"Wir freuen uns auf jeden Tag!"
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