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African Stories Lamu – Mombasa – Shimoni – Wasini Island Seit vielen
Wochen liegt der Anker der MON AMIE vor Wasini Island tief im Sand vergraben.
Wir fühlen uns zu Hause. Wir leben halb auf dem Schiff, halb an Land.
Unsere Freunde Selina und Harm betreiben hier ihr Geschäft, die Pilli
Pipa Dolphin Safaris, und sie wohnen auch auf dieser Insel. Sie ist
etwa eine Seemeile vom Festland entfernt. Harm ist Holländer und
Selina ist Kenyanerin. Selina's Vater ist indischer Abstammung, in der
vierten Generation Kenyaner, und ihre Mutter ist Engländerin. Selina
ist in der Nähe vom Mount Kenya aufgewachsen, ging in Nairobi ins
Gymnasium und hat in London Meeresbiologie studiert. Ich habe die beiden
vor zehn Jahren am touristischen Diani Beach kennengelernt. Damals waren
sie noch angestellte Tauchlehrer. Kurz darauf machten sie sich selbständig.
Pilli Pipa ist ein Schiff, eine traditionelle Dhau. Damit führen
sie ab Wasini Island, ganz im Süden Kenyas, Schnorchel-Tagesausflüge
durch. Im nahe gelegenen Unterwasser-nationalpark Kisite, liegen die schönsten
Korallenriffe von Kenya. Die Gäste werden über das eigene Verkaufsbüro
und über verschiedene Tour Operators der Hotelkette in Diani Beach
angeworben. Wegen unserem langen Aufenthalt in Djibouti, kamen wir zwar viele Monate später als ursprünglich geplant nach Kenya, dafür genau richtig zur Walhai-Saison! In den ersten Wochen tauchten wir bei jeder Gelegenheit, und dann war er plötzlich da... Doch überhaupt war es toll, wieder einmal so richtig ausgiebig zu tauchen. An unserem Lieblingstauchplatz, Nyuli, taucht man in ziemlich starker Strömung auf 30 Meter Tiefe hinunter. Von da verläuft ein weiteres Riffplateau bis auf 45 Meter und dann sinkt der Meeresgrund auf über 1000 Meter Tiefe hinunter ab. Dieser Spot ist unwahrscheinlich fischreich, und so sind neben Riffbewohnern wie Napoleonfischen, Papageifischen, riesigen Snapperschwärmen und Zackenbarschen auch Manta-Rochen und Haie zu sehen. Die Unterwasserszenerie an diesem Abgrund ist äusserst spektakulär! Und jeder Tauchgang ist anders. Einmal, wir
hatten drei Gäste, und Harm und ich waren gerade am Fischen zwischen
zwei Tauchgängen, fingen wir einen Mahi-Mahi (Goldmakrele, Dolphin-Fisch).
Ich wollte schon lange einmal einen Fisch am Haken unterwasser sehen,
und sprang rein. Da war ich plötzlich von hunderten von Mahi-Mahi’s
umgeben. Ein Wahnsinnsbild! Was für wunderschöne Tiere. Ich
war mir gar nie bewusst, dass das ein Schwarmfisch ist, obwohl wir auf
der MON AMIE Goldmakrelen am häufigsten fangen. Übrigens ein
äusserst wohlschmeckender Fisch. Ich lag also auf der Wasseroberfläche
und schaute zu, wie der Fisch am Haken hängt; da sehe ich plötzlich
einen riesigen Schatten unter mir... ein Marlin! Er 'steht' einfach vor
dem Mahi-Mahi, der sich am Haken windet, und ich denke: jetzt beisst er
jeden Moment zu! Ich selbst kam mir plötzlich recht klein und ungeschützt
vor, so nahe einem solchen Jäger. Und das Boot war weit weg. Zu Beginn
der von Mai bis Juni dauernden Regenzeit, nahmen die Buchungen für
Pilli Pipa, wie jedes Jahr, langsam ab, und so wurde der Schnorchel- und
Tauchbetrieb anfangs Mai geschlossen. Viele Arbeiten sind anzupacken:
Pilli Pipa muss ausgewassert, und das Restaurant für die Gäste
vergrössert werden. Für die Restaurantvergrösserung hat ein grosser Lastwagen drüben am Festland fünfzig 12-20 Meter lange Holzpfähle abgeladen. Ausser in den Städten Kenyas werden praktisch überall sämtliche Dächer immer noch aus Palmwedeln gebaut. Das ist technisch einfach, von der Natur gegeben, und erzeugt auch eine angenehme Durchlüftung der Häuser und Hütten. Dieses Holz, das hier überall für die Dachkonstruktionen verwendet wird, ist sehr hart und stabil. Und genauso schwer! Lustig ist auch wie hier Wände gemauert werden. Einfach Korallensteine etwas zurechtgeklopft und Zement dazwischen, im Eimer angerührt. Fertig. Als Lot eine Schnur und ein Stein! Sieht am Ende aber super aus, weiss getüncht! Doch auch jeder Sack Zement muss erst auf die Insel geschafft werden. Einige
Dächer auf der Insel mussten ersetzt werden und so brauchten wir,
auch für das 'neue' Restaurant, viele viele 'Makutis'. So heissen
die Palmwedel um die Dächer zu decken. Diese Makutis werden in Heimarbeit
hergestellt. Überall in Kenya. So braucht es viele Fahrten ins Hochland.
Ich bin der Fahrer. „Die Jungs kennen den Weg“, hat Harm gesagt.
Also fuhr ich mit Alaui und Baccari mit dem Pick-Up los. Vom Festland
Shimoni durch den Buschweg bis zur Teerstrasse, die Mombasa mit Dar-es-Salaam
verbindet. Dann 15 Minuten Richtung Norden. Plötzlich zeigte mir
Alaui an, links von der Strasse abzubiegen. Ich aber sah weit und breit
keine Strasse! Die grosse
Regenzeit in Ostafrika beginnt mit dem Einsetzen des Südmonsuns und
dauert von Mai bis Juni. Das Hitzetief über dem indischen Subkontinent
lässt einen Sog entstehen, der sich bis über den Äquator
auswirkt. Die Folge ist, dass aus dem Passatsystem über dem Indischen
Ozean ein Monsunsystem wird, 'ein sich jahreszeitlich wechselnder Wind
mit einer Windrichtungsänderung von mindestens 120 Grad'. Aus dem
südhemisphärischen Südostpassat wird im Nordindischen Ozean,
unterstützt durch die ablenkend wirkende Landmasse Ostafrikas und
den wechselnden Drehsinn der Corioliskraft auf der Nordhalbkugel, ein
Südwestmonsun. Wir arbeiten aber auch an und auf unserem Schiff. Im Moment ist die Luftfeuchtigkeit derart gross, dass alles schimmelgefährdet ist. Christa ist heftig am Waschen, nützt jede sonnige Gelegenheit zum Lüften und schleppt Polster und Matratzen an Deck. Überhaupt ist, nach einem Jahr auf der MON AMIE, einiges an Detailpflege nötig. Das geht von Backskisten aus- und neu einräumen über neue Schrankpapiere auslegen bis zu Holzlackarbeiten. Die ganz sonnigen Tage aber nutzen wir für Segelausflüge in den Kisite-Marinepark. Jetzt in der Nebensaison gehört uns das Revier ganz alleine! Überhaupt fühlen wir uns enorm abseits der vielgenannten 'Weltumseglerpfade'. Die letzte Segelyacht haben wir vor zwei Monaten gesehen! Eigentlich
ist das auch kein Wunder, denn hier in Shimoni gibt es keinerlei Infrastruktur
für Yachties. Das wurde uns beim Wasserbunkern wieder bewusst! Wir
stapeln leere Wasserkanister ins Beiboot und laden sie auf der anderen
Seite des Wasini-Channels auf Harm’s Auto. Mit dem Pick-Up fahren
wir etwa eine halbe Stunde lang durch den Busch bis zu einer Wasserquelle,
auf der eine Handpumpe installiert ist. Diese Quelle versorgt die Einheimischen
während der Trockenzeit auf einem Umkreis von bis zu 10 Kilometern!
So sieht man stets Frauen mit 25 Liter Kanistern, auf dem Kopf tragend,
die Strasse entlang laufen. Als ich eines Tages mit dem Pick-Up, vollbeladen mit frischem Gemüse, Gasflaschen, Benzin- und Dieselkanistern, Trinkwasserbidons, eingefrorenem Fleisch für Harm’s vier Hunde und diversen Ersatzteilen auf dem Rückweg von Mombasa nach Shimoni bin, steht plötzlich Baccari laut gestikulierend und winkend am Strassenrand. Ich erkenne ihn erst im Rückspiegel, bremse und fahre ein Stück rückwärts. Ich denke er möchte einfach bis Shimoni mitfahren, doch weit gefehlt! Er ist völlig verschwitzt, verängstigt und nervös. Dabei wird sein Englisch noch unverständlicher, und ich habe wirklich Mühe ihn zu verstehen. Irgendwann kann ich 'wife', 'baby' und 'hospital' aneinanderreihen! Also fahre ich mit ihm fast eine Stunde lang alles wieder zurück zum Mzambweni Hospital. Seine Frau konnte ihr Kind nicht gebären und so war ein Kaiserschnitt notwendig. Den aber kann Baccari nicht bezahlen und deshalb wollen die Ärzte seine Frau nicht nach Hause lassen. „Wann war die Operation?“ frage ich ihn. „Gestern“, antwortet er ganz selbstverständlich. Ich staune, dass sie 'schon' nach Hause will, oder kann. Darüber gibt er sich erstaunt. Vor dem Krankenhaus lassen wir den Wagen stehen und suchen uns unseren Weg durch die Menschenmasse. Überall Menschen. Jung, alt, Frauen, Männer, Kinder. Auf dem Rasen vor der Eingangstür, im Flur, in den Gängen, in der kleinen Kapelle. Überall wimmelt es von Patientinnen und Patienten. Baccari läuft dann mit mir auch direkt in den Gebärsaal! Da stehen etwa fünfundzwanzig Betten. In jedem liegt eine Frau, entweder mit einem Neugeborenen im Arm oder noch hochschwanger. Irgendwie bin ich froh, dass in diesem Moment niemand am Gebären ist! Baccari stellt mir schüchtern seine Frau vor, die ganz stark schon neben dem Bett steht. Ihre süsse und ganz kleine Tochter Fatuma hält sie im Arm. Alles ging gut, sie sind glücklich! Doch, ob ich nicht vielleicht die Zweitausend Kenya Shilling für die Operation vorschiessen könnte? Selina könnte es dann vom nächsten Monatslohn abziehen, wenn sie wiederkommt, und mir zurückgeben... Ich verstehe
nun, mitten in dieser unpersönlichen und unprivaten Umgebung, dass
diese Frau mit ihrem Kind so schnell wie möglich nach Hause will.
Ich bezahle die umgerechnet 35.- Schweizerfranken für den Kaiserschnitt
und bringe die junge Familie nach Hause. Wir sind jetzt in den letzten Vorbereitungen für unsere Weiterfahrt und freuen uns auf das vor uns liegende Gebiet: die tanzanianische Küste, Pemba Island und Zansibar! Die Regenzeit geht in die letzte Runde, und so wollen wir bald Richtung Dar-es-Salaam lossegeln. Doch auf
dem Weg dorthin liegen Dutzende Inseln und Inselchen verstreut... wir
nehmen uns Zeit! |
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